Seppls lange Reise
Rolf Schulze erzählt von einer Storchensuche
30. August 2024 - Bis zu 140 Störche hielten sich Anfang August bei Liemehna auf. Das gab es hier noch nie. Begonnen hatte alles mit einer lapidaren E-Mail, die mich am 3. August 2024 erreichte: „Seppl ist an der Mulde nordwestlich von Laußig“, dahinter die Uhrzeit 14:24 Uhr. Schön für Seppl – wer oder was ist eigentlich Seppl? Ah, ein Senderstorch, nur zwei Kilometer Luftlinie von Hohenprießnitz entfernt. Also meine Frau und den Fotoapparat geschnappt und los ging’s. Am sogenannten Siel war weit und breit kein Storch zu sehen – nur Kühe und frischgemähte Muldewiesen in der Aue. In einigen hundert Metern Entfernung entdeckte ich eine Staubwolke, ein Traktor mähte. Da gibt’s was für Storchenmägen. Beim Näherkommen tauchte nicht nur ein Storch auf, sondern gleich zweiundneunzig. Wie sollte ich da den Senderstorch finden?
Das Gewusel auf der Wiese war unbeschreiblich. Immer wieder flogen einzelne Störche auf, um dem Traktor auszuweichen und kurze Zeit später wieder zu landen. Die anderen schienen im Wettlauf um den besten Happen in Sprintmanier über das Gemähte zu rasen. Von einem Senderstorch keine Spur. „Da der Gesuchte nicht nur einen Sender tragen wird, sondern auch einen Ring, habe ich vielleicht mehr Glück“‘, so meine Überlegung. Um es vorwegzunehmen. Ich fand drei Störche mit einem Ring.
Zwei davon kannte ich schon – Brutstörche aus Wellaune und Oberglaucha. Der Dritte im Bunde hatte einen gelben Farbring mit der Aufschrift X04P2 Hiddensee. Er stand am Ende der Wiese wie auf dem Präsentierteller, nur ca. 30 Meter entfernt und ich konnte mehrere Fotos von ihm machen. Dann sah ich, dass ihm aus dem Rückengefieder ein ca. 10 cm langer Draht hervorragte, der Sender. Zwischenzeitlich waren auf der Wiese 110 Störche auf der Jagd nach Nahrung, meist Jungstörche.
„Die schönsten Aufnahmen gelangen mir in der nahen Kiesgrube, wo die Störche Wasserlachen zum Trinken und Baden nutzten. Während des Putzens und Trocknens des Gefieders konnte ich sogar den Sender richtig sehen und wiederholt den Ring ablesen.“ Mit der Foto-Trophäe kehrte ich nach Hause zurück und teilte Uwe Seidel – Storchenvater aus dem Landkreis Leipzig – meine Beobachtung mit. Er informierte mich, dass X04P2 mit Namen Seppl 2023 in Siedenlangenbeck (Salzwedel), 14 km von meinem Geburtsort in der Altmark entfernt, geboren wurde und er und
sein Bruder am 4. Juli 2023 einen Sender erhielten. Leider verunglückte sein Bruder in Bulgarien an einer Stromleitung tödlich. Zwischenzeitlich legte Seppl über 8000 km zurück. Von Oktober 2023 bis März 2024 hielt er sich in Marokko auf und sah solche Städte wie Casablanca und Tanger, bevor er über Frankreich nach Anhalt zurückkehrte. All das kann übrigens mit der App „Animal Tracker“ verfolgt werden.
Bisher machte er Zwischenstation in Nordwestsachsen und hielt sich zusammen mit weit über 100 Störchen im Raum um das Dorf Liemehna auf. Nach meiner ersten Begegnung schlief er in Beerendorf bei Delitzsch. Am 5. August auf einem Wohnhaus in Beerendorf, danach bis 12. August auf einer Sitzkrücke in Liemehna. Am 12. August zogen Seppl und Co. in ein Dorf weiter nach Nordosten. Nur zehn Tiere wurden am 13. August noch im und um das Dorf herum beobachtet, aber für Touristen und die Medien blieb es weiterhin ein Anziehungspunkt. Zeitweise gab es mehr Storchenfotografen als Störche im Dorf. Alle Medien berichteten, im ARD-Morgenmagazin wurden kurz vor den Nachrichten um 7.30 Uhr die Fotos von dpa von den Störchen auf den Liemehnaer Dächern gezeigt und kommentiert.
21. August
Seppl weilte mit seinem Trupp in Ablaß, einem kleinen Ortsteil von Mügeln, hinter dem Sportplatz und dem Gelände eines Unternehmens mit großen Hallen an der Alten Salzstraße. Abschiedsvorstellung für seine treuen menschlichen Begleiter? Leider befinden sich im Umfeld enorm viele Windkraftanlagen. Hoffen wir, dass alle das Gebiet unbeschadet verlassen.
24. August
Seppls Standort in der App AnimalTracker Seppls am Abend lokalisiert und ihn und 16 weitere Störche erneut aufgespürt. Sie sind auf Nahrungssuche auf einem mit der Scheibenegge bearbeiteten Feld in Sandersdorf-Brehna nahe der Papierfabrik südlich der Straße, auf der Sonnenseite. „Wenn das nichts ist!"
25. August
Seppl ist weiterhin ohne Ambitionen, auf Wanderschaft zu gehen. Als Westzieher hätte er auch noch Zeit. Nordsachsen ist aber mehr Ostziehergebiet, mit Tendenz gemischt.
Gute Reise Seppl!
Rolf Schulze, NABU Hohenprießnitz
Wir verfolgen Seppls Weg weiter ...