Feldhamster in Sachsen
Ein Bündnis für eine vom Aussterben bedrohte Art
Pressemitteilung (13.05.2024): Sachsens Feldhamster brauchen mehr als Auswilderung
Sachsens Feldhamster brauchen mehr als Auswilderung
NABU Sachsen appelliert an Politik, Kommunen und Landnutzer
Am 13. Mai 2024 hat der Arbeitskreis Feldhamsterschutz, dem auch der NABU Sachsen und sein
NABU Naturschutzinstitut Leipzig angehört, die ersten im Zoo Leipzig gezüchteten Feldhamster
ausgewildert.
Dieser Schritt ist vermutlich die letzte Chance zur Rettung der bedrohten Feldhamsterpopulation in
Sachsen und zeigt, dass die bisherigen Maßnahmen zu seinem Schutz nicht die nötige Sicherung der
Hamsterbestände gebracht haben. Mit Intensivierung der Landwirtschaft, verstärkter
Inanspruchnahme anderer Landnutzungsformen sowie steigende Flächenversiegelung und -
zerschneidung der Landschaft ist der Hamster, einst ein häufiger Schädling, in Sachsen seit einigen
Jahren kaum noch nachzuweisen. Aus diesem Grund hat der Arbeitskreis sich zum Schritt der
Nachzucht und anschließender Auswilderung entschlossen.
Die heutige Aktion ist nun der Start eines mehrjährigen Wiederansiedlungsversuches. Auch der
NABU unterstützt die Auswilderung, weist aber mit Nachdruck darauf hin, dass es mit der
Freisetzung gezüchteter Tiere nicht getan ist - im Gegenteil. Daraus ergibt sich die Pflicht, alle
Maßnahmen zu ergreifen, die dem Hamster ein Überleben, die Vermehrung und die Verbreitung
erlauben. Hierfür können jedoch nicht nur die Akteure im Arbeitskreis Feldhamsterschutz in die
Verantwortung genommen werden. Vielmehr bedarf es auch der Anstrengung und Unterstützung
von Politik, Kommunen und Landnutzern sowie einen umsichtigen Umgang mit dem
Flächenverbrauch u. a. hinsichtlich großer Versiegelungsprojekte, die gerade auch im Raum
Delitzsch, dem letzten potentiellen Feldhamsterlebensraum, geplant sind. „Mit der Nachzucht und
Auswilderung ist uns eine zweite Chance gegeben, die genutzt werden muss“, sagt Maria Vlaic,
Landesvorsitzende des NABU Sachsen.
Insofern ist der Schutz des Feldhamsters nicht nur eine Aufgabe des Arbeitskreises, der
Naturschutzbehörden und des Umweltministeriums, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
aller Behörden und Ministerien im Freistaat. Ob die erste Auswilderung als Erfolg zu werten ist, wird
die nahe Zukunft zeigen, wenn weitere Entscheidungen zur Flächeninanspruchnahme und
Zerschneidung der Lebensräume durch Infrastrukturvorhaben getroffen werden. Der NABU Sachsen
steht hinter der aktuellen Strategie des Arbeitskreis Feldhamsterschutz, die auch die Zucht und
Auswilderung beinhaltet, fordert jedoch auch die Unterstützung der sächsischen Landesregierung.
Es ist rund 25 Jahre her, als der NABU eindringlich mahnte, dass die Bestände der Feldhamster auf den Ackerflächen im Norden von Leipzig in Gefahr sind. Bei den jährlichen Kontrollen ehrenamtlich tätiger Naturschützer seit dem Jahr 1997 wurden auf den Feldern immer seltener Hamsterbaue gefunden. Diese konkreten Ergebnisse erforderten dringend und schnellstmöglich Maßnahmen zum Schutz der Hamster im Freistaat Sachsen, zumal es die allerletzten Flächen in Sachsen waren, auf denen überhaupt noch Hamster nachgewiesen werden konnten. Fünf Jahrzehnte zuvor waren sie noch weit verbreitet, sogar im Vogtland, in den Tälern der Sächsischen Schweiz und bei Freiberg.
Seit einigen Jahren können nun keine Tiere mehr nachgewiesen werden. Die Gründe sind in der sich immer stärker intensivierenden Landnutzung, der Zerschneidung der Lebensräume und der zunehmenden Versiegelung zu suchen.
2008 schlossen der NABU Sachsen mit seinem Naturschutzinstitut Leipzig, die Sächsischen Landesstiftung Natur und Umwelt (LaNU)-Naturschutzfonds und der Landschaftspflegeverband Nordwestsachsen e. V. (LPV Nordwestsachsen) eine Kooperationsvereinbarung, der 2014 sowie 2021 weitere Partner beitraten – das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG), Ökotop, der Regionalbauernverband Delitzsch e. V. (RBV) und zuletzt den Zoo Leipzig. Mit diesem letzten Schritt wurde die Nachzucht und Auswilderung als bestandsstützende Maßnahme integriert.
Der Arbeitskreis Feldhamsterschutz widmet sich seit dem dem Schutz des Hamsters, wertet Maßnahmen und Bestandsdaten aus, diskutiert die Entwicklung und legte zuletzt eine langjährige Strategie fest.
Neue Strategie zum kooperativen Schutz des Feldhamsters im Freistaat Sachsen
Der Arbeitskreis „Kooperativer Feldhamsterschutz im Freistaat Sachsen“ präsentierte am 12. April 2024 eine neue Strategie für den Feldhamsterschutz in Sachsen. Die gemeinschaftlich formulierten Ziele und Maßnahmen sollen den Bestand der sächsischen Feldhamsterpopulation langfristig sicherstellen. Der Erfolg der Strategie ist maßgeblich vom dauerhaften Angebot geeigneter Lebensräume für Feldhamster abhängig. Engagierte Landwirte stellen dafür neben Flächen vor allem auch ihre Arbeitskraft und Zeit zur Verfügung. Darüber hinaus ist es erklärtes Ziel, den Feldhamster als Botschafter für eine naturverträgliche Landwirtschaft sowie als Repräsentant für das Ökosystem Acker zu etablieren. Der Ausbau der Erhaltungszucht des Feldhamsters, die wissenschaftliche Begleitung der Maßnahmen zum Schutz der Feldhamster, gezielte Öffentlichkeitsarbeit sowie die Intensivierung der Zusammenarbeit des Arbeitskreises sind weitere Kernpunkte der Strategie.
Jörg Fischer (NABU) über seine Erfahrungen mit dem Hamsterschutzprojekt:
Ich konnte ab 1997 Naturbegeisterte gewinnen, unter ihnen auch Heide-Rose Thulke, Leiterin der Biologischen Landschaftspflege beim NABU Sachsen, nach Feierabend die Stoppelfelder nach Feldhamster-Bauen abzusuchen. Das haben wir über zehn Jahre betrieben, zuletzt in Zusammenarbeit mit dem NABU-Naturschutzinstitut Region Leipzig, damals mit Sitz in Wurzen. Die Ergebnisse der Kartierungen gingen jährlich an das Landesamt für Umwelt und Geologie und an das Sächsische Umweltministerium. 1998 war ein Spitzenjahr. Da hatten wir beispielsweise auf einem vier Hektar großen Acker 100 Baue! Die Bewirtschaftungsform war für den Hamster das Hauptproblem. Aus diesem Grund haben wir uns auch stets gegen Ansiedlungspläne ausgesprochen, wenn dies nicht mit nachhaltigen und erprobten Schutzmaßnahmen einhergeht. Es hat sich wieder gezeigt: Artenschutz kann ohne den Schutz des Lebensraums nicht gelingen.
Die Strategie zum kooperativen Schutz des Feldhamsters in Sachsen
Zucht und Auswilderung als letztes Mittel
Zucht und Auswilderung sind ein Zeichen dafür, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen zum Schutz des Feldhamsters nicht ausreichend gewirkt haben. Der NABU sieht sie daher als notwendiges, aber allerletztes Mittel. Wenn die Ansiedlung im Falle des Feldhamsters gelingt und die ausgesetzten Tiere zukünftig wieder selbsterhaltende Populationen bilden, ist Großartiges erreicht. Der Erfolg des Feldhamsterschutzes hängt jedoch nicht nur vom Zuchterfolg ab – auch die Maßnahmen in der Fläche für eine feldhamsterfreundliche Bewirtschaftung müssen gelingen.
„Biodiversität ist die Grundlage unserer Existenz! Doch trotz 1993 in Kraft getretener Biodiversitätskonvention müssen wir weiterhin um jeden Meilenstein kämpfen. Deshalb unterstützt der NABU Sachsen die Maßnahmen für den Feldhamsterschutz, damit für ihn und viele Arten die Existenz in der Feldflur wieder selbstverständlich ist.“ betont Maria Vlaic, Landesvorsitzende des NABU Sachsen.
Eine Chance für die Biodiversität mit Aussicht auf Erfolg
Von Erfolg gekrönt kann das Vorhaben nur sein, wenn das komplette Maßnahmenpaket umgesetzt wird - auf lange Zeit, mit politischer und gesellschaftlicher Unterstützung und unter Berücksichtigung klimatischer Veränderungen. Das bedeutet nicht, Ackerflächen dauerhaft aus der Nutzung zu nehmen oder ein „Hamsterreservat“ einzurichten. Es bedarf vielmehr der abwechslungsreichen Bewirtschaftung und Nutzung der Felder und Feldraine, allerdings unter Beachtung artspezifischer Bedürfnisse - die Zusammenarbeit mit Landwirten ist daher unerlässlich.
Für das Gelingen sind praxistaugliche Maßnahmen, aktives Management, aber auch Gesetze, Geld und Personal erforderlich. Nutznießer werden dann gleich viele ebenfalls in ihrer Existenz bedrohte Tier- und Pflanzenarten der Agrarlandschaft/Feldflur sein.
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