Forderungen an die neue Koalition
NABU Sachsen hegt große Erwartungen gegenüber der künftigen Landesregierung
10. Oktober 2019 - Der NABU Sachsen hat sich in den zurückliegenden Monaten intensiv mit den aktuellen wie künftigen gesellschaftlichen Herausforderungen im Kontext der Entwicklung des Umwelt- und Naturschutzes im Freistaat Sachsen befasst und diesbezüglich große Erwartungen an die künftige Staatsregierung. Der NABU sieht die Notwendigkeit, dass Natur- und Umweltschutz, insbesondere vor dem Hintergrund des Berichts des Weltbiodiversitätsrates, eine höhere und deutlich erkennbare Priorität in der Landespolitik erhalten müssen.
Es muss insbesondere darum gehen, die Möglichkeiten eines Miteinanders von Agrarförderung und Naturschutzzielen zu nutzen. Der Klimakrise wirksam entgegenzutreten, das Artensterben zu stoppen und die biologische Vielfalt zu erhalten, gehören zu den größten Herausforderungen unser aller Zukunft. Beim Artensterben geht es nicht mehr nur um Rote Listen oder das Aussterben einzelner Arten, sondern um das Verschwinden ganzer Ökosysteme, wie das Insektensterben und die massiven Waldschäden zeigen. Dazu werden auch in besonderem Maße die anerkannten Naturschutzverbände im Freistaat gebraucht. Und diese sind bereit, sich der Verantwortung zu stellen:
Biosphärenreservat „Westerzgebirge“
So möchte der NABU Sachsen ein Biosphärenreservat „Westerzgebirge“ etablieren. Unser Ziel ist es, einen zusammenhängenden, möglichst grenzübergreifenden Biotopverbund aus Waldflächen, Offenland und bereits geschützten Biotopen wie Steinrücken dauerhaft zu etablieren und zu sichern. Dies wäre ein essenzieller Baustein für die Sicherung von Habitaten und somit für Erhaltung und Verbesserung von Lebensräumen für gefährdete Arten wie das Birkhuhn.
Auch der seit 2002 gesetzlich geforderte landesweite Biotopverbund muss endlich eine klare Umsetzung erfahren. So sollten seitdem zehn Prozent der Landesfläche als Biotopverbund ausgewiesen und mit entsprechenden Maßnahmen untersetzt werden – davon ist man noch weit entfernt. Wir halten es für zwingend notwendig, dass auch der Freistaat hierfür endlich landeseigene Flächen in den Verbund einbringt.
Die Gestaltung des energie- und klimapolitisch begründeten Strukturwandels in Deutschland bietet überdies Chancen, Maßnahmen für den Klima- und Naturschutzschutz zu etablieren und gleichzeitig sanften Tourismus zu entwickeln. Dies könnte zum Beispiel durch die Ausweisung eines nationalen Naturmonumentes in der Bergbaufolgelandschaft im Südraum Leipzigs und den Aufbau eines amtlichen Betreuersystems (durch Ranger) für Natura-2000-Gebiete geschehen. Bislang kommt jedoch das Wort Naturschutz im sogenannten „Kohlepapier“ nicht einmal vor.
Dass die anerkannten Naturschutzvereinigungen im Freistaat eine finanzielle Unterstützung erhalten, ist richtig und wichtig. Diese ist allerdings seit 2008 im Gegensatz zu den stark angewachsenen Mitteln für die Landschaftspflegeverbände nahezu unverändert und auf vergleichsweise niedrigem Niveau geblieben. Die kontinuierliche, fachlich anspruchsvolle Arbeit gestaltet sich daher zunehmend schwierig, denn Grundlage dafür ist eine ausreichende finanzielle Unterstützung. Laut Ehrenamtsstudie des Freistaates Sachsen ergibt sich unter Zugrundelegung nur der allgemeinen Naturschutzaufgaben aus den Schätzungen der Vereinigungen eine jährliche Stundenleistung von ca. 330.000 Stunden. Dies entspricht nach dem vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung empfohlenen Szenario einem Wert von etwa 8,5 Millionen Euro im Jahr. An alle Verbände werden davon aktuell 3,5 Prozent verteilt. Eine angemessene Erhöhung der Zuwendungen für die höchst bedeutungsvolle Arbeit der Naturschutzvereinigungen ist unerlässlich.
Forderungskatalog des NABU Sachsen an die neue Koalition
Schutz der Artenvielfalt
Zentrales Ziel der Naturschutzpolitik müssen der Schutz und die Förderung der biologischen Vielfalt in Sachsen sein. Hauptursache für den Bestandsrückgang der Pflanzen- und Tierarten ist die Zerstörung ihrer Lebensräume, verantwortlich sind insbesondere die Intensivierung der Landnutzung, die Inanspruchnahme von Flächen für Siedlung und Verkehr sowie Nährstoffeinträge in die Luft, den Boden und in Gewässer. Über die Hälfte aller in Sachsen vorkommenden Lebensraumtypen gelten als gefährdet.
Der NABU Sachsen fordert:
- Konsequente Umsetzung des Programms zur Biologischen Vielfalt des Freistaates
- Erhaltung und Wiederherstellung einer Mindeststrukturausstattung im Offenland, unter anderem durch Renaturierung von Quellbächen, Wiederherstellung von Kleingewässern, Schaffung von Feldrainen und -hecken
- Programm zur gezielten Wiedervernässung und langfristigen Wiederherstellung der Wasserhaushalte von Mooren
- Vernetzung der vorhandenen Schutzgebiete durch zusätzliche Korridore mit Naturschutzvorrangfunktion auf über zehn Prozent der Landesfläche im Rahmen der Umsetzung der gesetzlichen Regelungen zum Biotopverbund
- Erweiterung der Prozessschutzflächen auf zwei Prozent der Landesfläche
Naturverträgliche Landnutzung
Eine naturverträgliche Landnutzung ist notwendig für das Überleben vieler geschützter Tier- und Pflanzenarten und ihrer Lebensräume. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Landwirtschaft jedoch zu einem wesentlichen Faktor für die Belastung der Umwelt und das Artensterben geworden. Die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion führt zu einem massiven Verlust an artenreichem Grünland, zu einer Monotonisierung der Landschaft durch Verengung von Fruchtfolgen und Vergrößerung von Ackerschlägen, zur übermäßigen Nährstoff- und Pestizidbelastung des Grund- und Oberflächenwassers sowie zu einem Verlust an ökologischen Rückzugsflächen wie Brachen. All das hat die dringend benötigten Lebensräume für viele Arten und auch ihre Nahrungsgrundlage drastisch eingeschränkt.
Der NABU Sachsen fordert:
- Die verbindliche Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt in der Landbewirtschaftung. Realisierung des ökologischen Landbaues auf 20 Prozent der Landesfläche
- Ein Mindestanteil von zehn Prozent ökologischer Vorrangflächen auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche
- Verbot von Pestiziden in und an Naturschutzgebieten, Flächennaturdenkmalen, geschützten Biotopen, Fauna-Flora-Habitat-Lebensräumen, Kernzonen von Biosphärenreservaten und Nationalparks, staatliche Förderung umweltgerechter Alternativen zum Pestizideinsatz außerhalb dieser Schutzgebiete
- Flächendeckendes Verbot von Neonicotinoiden, Totalherbiziden und Beizen von Samen mit Giften
- Reduzierung des Phosphat- und Nitrateintrages
- Werden landwirtschaftliche Nutzflächen des Freistaates verpachtet oder verkauft, sollen Angebote mit ökologischem Landbau bevorzugt werden, nicht das der meistbietenden. Flächen von naturschutzfachlichem Wert sollten generell im öffentlichen Eigentum verbleiben.
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