Globaler Notstand der Artenvielfalt
1.000.000 Arten drohen für immer zu verschwinden
7. Mai 2019 - Der NABU fordert anlässlich der Veröffentlichung des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) zum globalen Zustand der Artenvielfalt, dass Staats- und Regierungschefs der Rettung der Artenvielfalt endlich Priorität einräumen. Laut Bericht drohen andernfalls in den nächsten Jahrzehnten bis zu einer Million Tier- und Pflanzenarten für immer von unserem Planeten zu verschwinden.
„Die Forscher liefern erdrückende Belege dafür, dass die Zerstörung der Ökosysteme unsere Wirtschaft und unser Wohlergehen mindestens genauso bedroht wie die menschengemachte Überhitzung des Klimas. Angela Merkel lässt dabei ein machtloses Umweltministerium Lösungsvorschläge entwerfen, die anschließend von den Klöckners, Scheuers und Altmaiers der Regierung erfolgreich neutralisiert werden. Es ist einfach skandalös auf welch taube Ohren die Wissenschaft bei der Bundesregierung mit ihren Warnungen vor dem Kollaps der Natur stößt.
Beispiel Insektensterben: Zuerst werden Ausmaß und Ursachen geleugnet, dann das Problem relativiert und verdrängt. Und wenn das auch nicht mehr geht, schiebt man entschlossenes Handeln auf die lange Bank und begnügt sich mit Appellen und Symbolprojekten.“
Olaf Tschimpke, NABU-Präsident
150 führende Wissenschaftler aus 50 Staaten haben für den IPBES-Bericht drei Jahre lang fast 15.000 Studien ausgewertet. Als Haupttreiber für den Naturverlust benennt der Bericht gerade für Europa die sich verändernde Art der Landnutzung. Insbesondere der Verlust von natürlichen Lebensräumen und ihre Belastung durch Nährstoffeinträge und Pestizide lassen Schutzbemühungen in vielen Fällen ins Leere laufen. Fehlgeleitete Subventionen bieten fatale Anreize für immer stärkere Intensivierung und die Monotonisierung von Feldern und Wäldern. Einzelne Erfolge bei der Ausweisung von Schutzgebieten werden durch mangelnde Finanzierung und ungenügendes Management zunichte gemacht und wichtige Vorgaben wie die EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht ausreichend umgesetzt.
Schlechtes Vorbild: Deutschland verstößt immer wieder gegen europäisches Umweltrecht
Der NABU sieht sich durch den IPBES-Bericht in seinen Forderungen nach einem grundlegenden Umbau der europäischen Agrarpolitik, einem EU-Naturschutzfonds in Höhe von 15 Milliarden Euro jährlich und der konsequenten Durchsetzung der bestehenden EU-Umweltbestimmungen im Bereich Natur-, Gewässer- und Meeresschutz bestätigt. Die Bundesregierung steht hier in der Verantwortung – und zunehmend in der Kritik. Deutschland drohen immer wieder Strafzahlungen wegen Nichteinhaltung des EU-Umweltrechts, aktuell etwa wegen der Nitrat- und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Hier gibt der wirtschaftlich stärkste EU-Staat ein denkbar schlechtes Beispiel in Europa und der Welt ab.
Förderungen aus öffentlichen Haushalten müssen sich künftig ausnahmslos am Prinzip der Umweltverträglichkeit ausrichten und zudem Anreize für eine nachhaltige Transformation bieten. Nach einer aktuellen Untersuchung des Bundesamts für Naturschutz (BfN) werden jedes Jahr allein in Deutschland 22 Milliarden Euro Steuergelder naturschädlich ausgegeben. Rechnet man klimaschädliche Subventionen im Energiebereich dazu, sind es sogar 55 Milliarden Euro jährlich. Gleichzeitig beklagt Bundesumweltministerin Svenja Schulze, dass ihr fast eine Milliarde Euro im Jahr für die Naturschutzfinanzierung fehlt.
Die Passivität der Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bei den Agrarverhandlungen in Brüssel ist erbärmlich. Stets tritt sie auf die Bremse, wenn es darum geht, Betrieben attraktive finanzielle Anreize für den Naturschutz zu geben. Stattdessen hält sie an den umweltschädlichen und auch ökonomisch höchst fragwürdigen Flächenprämien per Gießkanne fest. Damit fährt sie Tausende Betriebe und die Natur gegen die Wand.
Der NABU baut auf einen Neustart der Agrarverhandlungen nach der Europawahl. Die Wahlen zum Europäischen Parlament sehen wir als Schicksalswahl für die Zukunft von Insekten und Vögeln.