Wahlkampfmodus: Hetze auf den Wolf
NABU Sachsen fassungslos über Äußerungen von Staatsminister Schmidt
23. Mai 2019 - Nach Wolfsrissen wird es künftig einfacher sein, die Raubtiere zu bejagen. Das Bundeskabinett hat in dieser Woche eine entsprechende gesetzliche Regelung beschlossen. Ähnliche Inhalte weist die die Sächsische Wolfsmanagementverordnung (SächsWolfMVO) auf, die nächste Woche in Kraft tritt. Sie regelt unter anderem für typische Situationen, wann Wölfe vergrämt bzw. entnommen werden dürfen, beispielsweise wenn sich ein Wolf einem Menschen auf weniger als 30 Meter nähert und eine Vergrämung erfolglos geblieben ist. Auch zur Vermeidung erheblicher wirtschaftlicher Schäden ist eine Entnahme möglich: Überwindet ein Wolf die in der Verordnung genannten Schutzmaßnahmen innerhalb von zwei Wochen zweimal, kann er entnommen werden. Dem sächsischen Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) geht dies anscheinend noch nicht weit genug. Er wurde mit den Worten zitiert:
„Wenn es notwendig ist, dann muss es auch möglich sein, einzelne Wölfe aus der Natur zu entnehmen, ohne dass diese bereits Nutztiere gerissen haben oder gefährlich für den Menschen geworden sind.“
Sächsischer Umweltminister Thomas Schmidt
Online-Ausgabe der Sächsischen Zeitung am 22. Mai
Die Möglichkeiten, die die EU-Regelungen böten, würden so in Deutschland nicht vollständig ausgenutzt – dabei ist am europäischen Schutz des Wolfes nicht zu rütteln, solange der anzustrebende günstige Erhaltungszustand für die Art hierzulande nicht erreicht ist.
Bernd Heinitz, Landesvorsitzender des NABU Sachsen, ist entsetzt: „Das ist ganz billiger Wahlkampf. Den Stimmenfang auf Wähler immer wieder in eine Hetzjagd auf den Wolf ausarten zu lassen, hat inzwischen Tradition in Sachsen. Statt ein geschütztes Tier, das niemandem etwas getan hat, pauschal zum Abschuss freigeben zu wollen, sollten vielmehr die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Weidetierhalter verbessert werden.“ Dies könnte zum Beispiel durch eine Weidetierprämie geschehen, welche die durch tierartgerechte Weidehaltung entstehenden Mehraufwendungen sowie den erhöhten Aufwand für die Sicherungen gegen Wolfsübergriffe abfängt. Ebenso ist eine schnelle, unkomplizierte Erstattung im Schadensfall notwendig.
Friedliche Koexistenz seit 19 Jahren
Doch von derartigen Maßnahmen ist anscheinend keine Rede in der sächsischen Landesregierung. „Wir erwarten von Minister Schmidt, dass er zu seinem Wort steht“, erklärt Heinitz. „Wir sind davon überzeugt, dass ein friedliches Miteinander von Mensch und Wolf funktionieren kann, das haben die vergangenen 19 Jahre gezeigt.“ Erst im März 2018 hatte Thomas Schmidt unter anderem gegenüber der Sächsischen Zeitung erklärt: „Wir brauchen eine klare deutsche Regelung, wie wir mit verhaltensauffälligen Wölfen umgehen.“ Regeln seien wichtig, um den Menschen die Angst vor einer neuen Wolfspopulation zu nehmen. Es sei mühsam, die Akzeptanz für den Naturschutz zu erhöhen und die Menschen dafür zu begeistern. „Akzeptanz zu schaffen, ist bedauerlicherweise wohl kein Thema mehr“, konstatiert Heinitz.
Seit dem Jahr 2000 leben wieder Wölfe in Deutschland. War der Nachweis des ersten Rudels in Sachsen noch eine Sensation, hat sich der Umgang mit dem neuen Nachbarn inzwischen vielerorts normalisiert. Nach aktuellem Wolfsmonitoring leben 17 Rudel und vier Paare im Freistaat. Der sächsische Wolfsmanagementplan stellte seit 2007 grundlegende Informationen zum Wolf, zur Verbreitung, zum Konfliktpotenzial, Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und Konfliktbewältigung sowie zur Beratung bereit. Ab Ende Mai ist das Thema Wolf bei der neuen Fachstelle Wolf im Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie angesiedelt.