Folgen des Kohleabbaus: Elbewasser in der Spree?
Unsere Position zur Studie des Umweltbundesamtes
30. August 2023 – Schon der Titel ist falsch: „Wasserwirtschaftliche Folgen des Braunkohleausstiegs in der Lausitz“. Es ist, als möchte man die Diskussion um den Kohleausstieg erneut eröffnen und dem Ausstieg, nicht dem Abbau, die ökologischen Folgen zur Last legen. Als würde der Ausstieg, nicht der Abbau, die Landschaft durchlöchern, Lebensräume zerstören, Ökosystemleistungen mindern und den Klimawandel anfachen. Die Lösung, so die Studie, ist eine Überleitung aus der sächsischen Elbe in die brandenburgische Spree.
Der NABU Sachsen teilt die Schlussfolgerungen der Studie nicht und empfiehlt den Bundesländern Brandenburg und Sachsen, den vorgeschlagenen Handlungsoptionen nicht bedingungslos zu folgen, naturbasierte Lösungen seriös und unabhängig zu prüfen und Einsparungspotentiale vollständig auszuschöpfen.
Wir fordern die Ministerien auf, sich verstärkt einzusetzen für:
- verpflichtende Maßnahmen zum Wasserrückhalt vor allem in Ballungsgebieten („Schwammstadt“)
- naturnahe Bewirtschaftung von Entwässerungsgräben mit dem Ziel des Wasserrückhalts, Biotopverbundes und der Strukturierung der Agrarlandschaft
- konsequente Renaturierung von Auen als natürliche Retentionsflächen und Wasserspeicher
- konsequente Vermeidung bzw. Rückbau von Versiegelungen zur Einhaltung der Ziele der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie und des Flächenversiegelungsziels Sachsens
Technische Maßnahmen, die Spätfolgen des Abbaus lindern oder beheben sollen, sollten wohl überlegt sein und in Umfang und Dauer ihre Notwendigkeit nicht überschreiten.
Eine genaue Begründung unserer Position finden Sie hier:
Der Kohleausstieg 2038 bedeutet, dass Grundwasser nicht mehr abgepumpt werden muss, um den Abbau zu ermöglichen, und dieses sogenannte Sümpfungswasser nicht mehr in die Spree eingeleitet werden kann. Es bedeutet aber auch, dass die Tagebaurestlöcher schnellstmöglich mit Wasser gefüllt und der bisher niedrig gehaltene Grundwasserspiegel angehoben werden muss, um noch größere ökologische Folgeprobleme, die durch chemische Reaktionen der freigelegten Gesteine entstehen, zu verhindern. Hier liegt das Problem: Wo kommt schnell viel Wasser her – und das im Klimawandel?
Im Braunkohleabbau muss, um die Arbeiten zu gewährleisten, der Grundwasserspiegel abgesenkt werden. In der Lausitz bedeutete dies auf einer Fläche von etwa 2.100 Quadratkilometern eine Absenkung von über 2 Metern. Dies hatte das Trockenfallen zahlreicher Fließgewässer zur Folge, die durch das Einleiten von Sümpfungswasser wiederum „stabilisiert“ wurden und werden.
60 Millionen Kubikmeter Wasser werden der Spree im Jahr fehlen
Ein schwankendes Wasserdargebot und ein saisonales und regionales Trockenfallen des Flusses im Sommer ist erst mal nichts Ungewöhnliches in natürlichen Fließgewässersystemen, auch nicht für die historische Spree. Der Mensch wirkt den unsteten Wasserständen jedoch seit Jahrhunderten mit Begradigung und Eindeichung der Flüsse, unter- und oberirdischen Drainagen der Felder, Stauseen und Wehren entgegen. Vielerorts wurde die gesamte Versorgungsinfrastruktur auf diese anthropogen geformten Randbedingungen angepasst.
Die Spreeanrainer befürchten, bald auf dem Trockenen zu sitzen, denn schon der Klimawandel sorgt für weniger Wasser im Spreeeinzugsgebiet. Zusätzlich bedeutet der längst überfällige Ausstieg aus der Kohle nun den Verlust des Sümpfungswassers aus der Lausitz. Die Auffüllung des Grundwassertrichters und der neu entstehenden Tagebauseen binden ebenfalls Wasser. Hinzu kommt die stetige Verdunstung von den neuen Wasseroberflächen der Seen. Insgesamt werden der Spree dadurch 60 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr fehlen.
Die Elbe bei Dresden führt im Mittelwasser (statistisch gesehen) pro Sekunde 329 Kubikmeter Wasser. Würde man 60 Millionen Kubikmeter Wasser auf einmal überleiten, wäre die Dresdener Elbe also gut zwei Tage lang ohne Wasser. Die übrigen 363 Tage entspräche der Wasserstand den üblichen Mengen, Hoch- und Niedrigwasserzeiten mal ausgenommen. (Tatsächlich würde die Wassermenge natürlich auf einen längeren Zeitraum gestreckt.) Die Elbe, beschließt die Studie des UBA, hat also im Prinzip genug Wasser.
In der Realität bedeutet dieses Gedankenspiel jedoch, dass Wasser aus der Elbe rund 100 Kilometer weit durch unterirdische Rohre über Flussgebietsgrenzen transportiert werden soll. Um nicht vom Trockenfallen der Elbe überrascht zu werden, muss sich ein Speichermanagement anschließen. Dies wäre ein massiver Eingriff in den Naturhaushalt, der auf Langlebigkeit angelegt ist, obwohl er eigentlich eine Nothilfemaßnahme sein sollte. Denn sobald die Seen und das Grundwasser aufgefüllt sind, ist die Wasserüberleitung eigentlich nicht mehr nötig. Es sei denn, man möchte den Wasserstand in der Spree weiterhin stabil auf einem hohen Niveau halten, um den wachsenden Wasserkonsum weiterhin bedienen zu können und die Infrastruktur nicht anpassen zu müssen.
Der Spreewald und Natura 2000
Die Spree selbst unterliegt der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und in weiten Teilen auch Natura 2000. Mit dem Spreewald kommt ein UNESCO-Biosphärenreservat dazu, dessen Erhalt gesichert werden muss. Nicht ohne Wasser, das zudem im Klimawandel ein rares Gut wird.
Ein Blick auf die historische Spree zeigt, dass das periodische Trockenfallen von großen Teilen der Spree vor der Aufnahme des Bergbaus normal war, also zum natürlichen Zyklus des Flusssystems gehörte. Schon lange weisen Ökologen auf die Gefahr des Klimawandels für den Spreewald hin und diskutieren Lösungen. Das zukünftige Wasserangebot ist zwar ein Problem – bei der Frage, wie die Flusslandschaft der Spree nach der Kohleära aussehen sollte, spielt aber der Naturhaushalt die maßgebende Rolle, nicht die anthropogenen Bedürfnisse. Sorgen vor Konflikten mit der Wasserrahmenrichtlinie und Natura 2000 sind im Rahmen des Klimawandels notwendig, da es sich um die Wiederherstellung des natürlichen Zustandes handelt – nicht im Rahmen des Kohleausstieges. Sorgen um die Gewässerqualität zwischen der Lausitz und Berlin hingegen sollte man sich schon machen.
Naturbasierte Lösungen
Um die hydrologischen Folgeprobleme zu lösen, die sich aus dem Kohleabbau ergeben, werden zwei Punkte absolut notwendig sein, da stimmen wir mit der Studie überein: Wasserdargebot erhöhen und Wasserbedarf senken. Leider sind die Lösungsansätze ausschließlich ingenieursbaulicher Art, obwohl naturbasierte Lösungen in der Zwischenzeit durchaus geläufig sind. Auenrevitalisierung und der Rückhalt von Niederschlagsmengen werden in ihrer Auswirkung als marginal bezeichnet und letztlich nicht mal mehr als Handlungsoption geführt.
Das Wasserdargebot wird sinken, infolge des Klimawandels mutmaßlich auch unter vorbergbauliches Niveau. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Wasser – nicht im Naturhaushalt, wohl aber zur Befriedigung wirtschaftlicher Bedürfnisse. Das legt die Studie klar dar. Der Wasserbedarf zur Linderung der Spätfolgen des Kohleabbaus kommt dazu, ist aber temporärer Art.
Maßnahmen sind notwendig und werden vielleicht auch technischer Natur sein müssen. Sie dürfen aber nicht missbraucht werden, um sich bei der Bekämpfung der Klimakrise vor grundlegenden Veränderungen unserer Wirtschaftsweise zu drücken. Naturbasierte Lösungen müssen daher einen wesentlichen Anteil an den Planungen zur langfristigen Sicherstellung des Wasserhaushaltes im Einzugsgebiet der Spree haben.
Am 30. August 2023 hat der NABU Sachsen gemeinsam mit anderen Naturschutzverbänden aus Sachsen, Berlin und Brandenburg einen offenen Brief an die Landesministerien gerichtet.