Naturschutzfachliche „Auenvision 2050“
NABU Sachsen entwickelt mit Naturschutzforschung, -behörden und -verbänden Plan zur Rettung des Leipziger Auwalds
23. November 2020 - Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass das Leipziger Auensystem entlang der Weißen Elster, Pleiße und Luppe von seinem wichtigsten Element abgeschnitten ist: dem Wasser. Der Wald trocknet buchstäblich aus, verliert seine typische Artenzusammensetzung und selten gewordene Lebensräume. Der Grund sind vor allem wasserbauliche Maßnahmen des vergangenen Jahrhunderts. Vor dem Hintergrund der Biodiversitätskrise und der Klimakrise ist die Erhaltung der Auen als Hotspots der Artenvielfalt und als wertvolle „Senken“ für Klimagase nun vordringliche Aufgabe. Eine Revitalisierung der Flusslandschaft ist deshalb unumgänglich.
Maßgeblich auf Initiative von Prof. Dr. Christian Wirth vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) hat der NABU Sachsen in den vergangenen Monaten zusammen mit Vertretern aus Forschungseinrichtungen, dem beruflichen Naturschutz und weiteren Verbänden eine „Vision“ als naturschutzfachliches Leitbild für die Auenentwicklung in und um Leipzig entwickelt.
Am 9. November 2020 präsentierten Vertreter des Autorenteams Wolfram Günther, Sachsens Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft, das Papier vorab im Rahmen einer Online-Konferenz. Dieser lobte das Papier als umfassenden und wegweisenden Beitrag zur Diskussion um die sächsische und Leipziger Auenentwicklung insgesamt, die sich der Freistaat mit seinem Sächsischen Auenprogramm auf die Fahnen geschrieben hat.
„Dynamik als Leitprinzip zur Revitalisierung des Leipziger Auensystems“
Das Papier mit dem Titel „Dynamik als Leitprinzip zur Revitalisierung des Leipziger Auensystems“ betont vor allem die überragende, alle anderen Ziele befördernde Rolle des Wasserdargebots und der Wasserdynamik. Damit ist gemeint, dass nicht nur mehr Wasser in den Auwald gebracht werden muss, sondern auch mehr Dynamik, also die Verlagerung von Böden (Sedimenten), Veränderung von Gewässern und so weiter. Diese Dynamik muss – sollen die Ziele von Fauna-Flora-Habitat- und Europäischer Wasserrahmenrichtlinie erreicht und dabei große Synergieeffekte genutzt werden – zwingend zeitnah wiederhergestellt werden, wenn das Leipziger Auensystem nicht weiter seinen ökologischen Wert verlieren soll. Dies wäre fatal, stellt die Aue doch zahllose Ökosystemleistungen wie sauberes Wasser, kühlende Verdunstungsprozesse und Kohlenstoffdioxid-Speicherung bereit, von denen die Leipzigerinnen, Leipziger und die Umlandgemeinden profitieren.
Neben Einzelbetrachtungen zu den verschiedenen Auen-Lebensräumen, also Auwald, Offenland, Gewässer und deren Abhängigkeit von hydrologischer Dynamik, werden vor allem übergreifende Fragen und Themen aufgegriffen. Zum Beispiel: Welche Akteure müssen gemeinsam die Auenentwicklung vorantreiben, damit sie erfolgreich wird? Ebenso wird die Forderung aufgestellt, dass es im Genehmigungsverfahren einer Gesamtbetrachtung des Gebietes bedarf, da Dynamik in der Aue auch immer Dynamik der Lebensräume bedeutet. Das heißt eben auch, dass an einer Stelle gelegentlich ein wertvoller Teillebensraum verschwinden und an anderer Stelle neu entstehen muss, während an der ursprünglichen Stelle ein anderer hochwertiger Lebensraum aufkommt.
Ergänzt wird das Papier durch eine über 70 Maßnahmenvorschläge verschiedenster Akteure umfassende Maßnahmentabelle. Konkret werden die möglichen Maßnahmen von den Verfasserinnen und Verfassern der Auenvision daraufhin bewertet, ob sie der Auenentwicklung tatsächlich dienen und welchen Realisierungshorizont sie voraussichtlich haben werden.
Mit dem Konzept können klare und zielführende Strategien für eine umfassende Auenrevitalisierung entwickelt werden. Der Beitrag wurde als UFZ-Diskussionspapier publiziert, um auch bundesweit die Diskussion, insbesondere in Fachkreisen, zu befruchten.
Das Papier ist hier zu finden.