45 Jahre Glyphosat
Ein Vortragsabend in der NABU-Naturschutzstation Teichhaus Eschefeld
13. Februar 2020 - Eigentlich geht es gar nicht um Glyphosat – weder am Abend des 11. Februar 2020 noch in anderen Diskussionen. Es geht um unseren Umgang mit der Natur und mit der Landwirtschaft. Das scheint es letztlich auch zu sein, was die Landwirte so ärgert. Der Referent Stefan Lips, Sprecher des BUND Leipzig für den Arbeitskreis Chemie und Umwelt, wies gleich zu Beginn darauf hin: Die Landwirte agieren nicht frei, sie spüren den Druck der Nahrungsmittelindustrie auf der einen und der weltwirtschaftlichen Konkurrenz auf der anderen Seite. Um trotzdem wirtschaftlich arbeiten zu können, scheint für viele der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat unabdingbar. Und so war die NABU-Naturschutzstation Teichhaus Eschefeld auch prall gefüllt. Neben interessierten Bürgern waren Agrarberater, Vertreter der Pflanzenschutzbranche, Geschäftsführer großer regionaler Agrarkonzerne, lokale Landwirte und Naturschützer zu Gast.
Das Wirkprinzip von Glyphosat ist einfach: Die Pflanze „verwechselt“ die Substanz mit einer anderen, die im pflanzlichen Stoffwechsel essentiell ist. Dadurch wird beispielsweise die Synthese von wichtigen Aminosäuren und verschiedenen sekundären Pflanzenstoffen gehemmt und die Pflanze nachhaltig geschädigt, erklärte Stefan Lips. Auf Insekten habe das keinen Einfluss, gaben einige der Zuhörer zu Bedenken – auf Mikroorganismen allerdings schon. Und so entspann sich eine Diskussion um Gefahr und Risiko. Schnell wurde klar: Das wahre Ausmaß beim Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln wird scheinbar oft unterschätzt, denn die Vernetzungen der Organismen untereinander in einem Ökosystem sind noch lange nicht alle bekannt und die bekannten werden zum Teil nicht mitgedacht.
Es ist aber auch eine Frage der Alternativen
Was, wenn nicht Glyphosat? Nachfolgersubstanzen sind schon im Gespräch, weniger gut erforscht und sicherlich nicht weniger bedenklich für Mensch und Umwelt. Zudem sind es auch die Beisubstanzen, die mindestens genauso schädlich sind, weil sie dem Pflanzenschutzmittel erst den Zutritt in die Pflanzenzelle erlauben. Und so zeigte sich an diesem Abend mehrfach: Es geht gar nicht um das Glyphosat. Es geht um unseren Umgang, die Frage nach der guten fachlichen Praxis, nach der Nutzung von Glyphosat außerhalb der Landwirtschaft, zum Beispiel im Klein- und Hausgarten, und nach der Frage nach den fehlenden Landschaftsstrukturelementen. Wertvolle langjährige Randstreifen entlang der Ackerränder und Gewässer zum Beispiel können die Ausbreitung der ausgebrachten Pestizide verringern. Allerdings, so geben die Zuhörer zu bedenken, müssen diese, will der Landwirt den Wert der Fläche erhalten, nach fünf Jahren umgebrochen werden. So gehen alle fünf Jahre langsam entstehende Habitate erneut verloren. Aber es ist eben auch die Erwartung des Verbrauchers, alle Lebensmittel jederzeit zu Niedrigpreisen zur Verfügung zu haben. Eine Lösung konnte im Teichhaus Eschefeld nicht gefunden werden, aber vielleicht ein wenig mehr Verständnis für die jeweils andere Seite.