Totholz
Der unbekannte ökologisch wertvolle Lebensraum
Liegendes Moderholz speichert zudem auch viel Feuchtigkeit, da es am Boden meist feuchter ist als in den höheren Stockwerken des Waldes. Das Moderholz hält außerdem die gespeicherte Feuchtigkeit umso länger, je dicker die verschiedenen Holzstämme sind.
Auch der Pflanzenbiologe Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde weißt darauf hin, das momentan vor allem Nadelholzplantagen ohne feuchtes Totholz eine Brandgefahr darstellen.
Was ist eigentlich so wichtig an diesem Totholz?
Der Begriff Totholz beinhaltet sowohl vollständig abgestorbene Bäume als auch entsprechende Teile eines Baumes. Des Weiteren wird Totholz anhand seiner Position in noch stehendes Trockenholz oder bereits liegendes Moderholz unterschieden.
Für die Entstehung von Totholz kann es neben dem „normalen Alterstod“ der Bäume und dem Konkurrenzdruck in Jungbeständen verschiedene Gründe geben. Dazu zählen neben Waldbränden und Windwürfen auch Krankheiten (z. B. aktuell das Eschentriebsterben) und das massenhafte Auftreten von Insekten (z. B. Buchdrucker), welche dem Baumbestand enorm zusetzen können.
Totholz stellt einen Lebensraum mit einer enormen Anzahl an Nischen bereit. Moderholz zum Beispiel hat sowohl eine Kontaktzone mit dem Boden – eine Schattenzone, die durch höhere Feuchtigkeit und thermale Stabilität gekennzeichnet ist – als auch eine Sonneneinstrahlungszone auf der Oberseite des liegenden Holzes, welche sich durch insgesamt mehr Wärme, höhere Verdunstung und kurzfristige Temperaturänderungen auszeichnet. Daneben stellt das Totholzinnere einen eigenen Mikrokosmos dar, welcher einer Vielzahl an Organismen Nahrung und Lebensraum bietet.
Ein toter Baum im Wald sichert unzähligen Pilzen, totholzbewohnenden Insekten, Asseln, Würmern, Schnecken und vielen weiteren Arten das Überleben. Abhängig von der Holzart und dem Grad des Zerfalls dient er einer bestimmten Artenzusammensetzung von Pilzen (z. B. Hallimasch, Zunderschwamm), Pflanzen (z. B. Moose, Farne) und Tieren als Lebensraum und Nahrungsquelle. Vor allem unter den Insekten gibt es viele Arten, die hinsichtlich Eiablage und Larvenentwicklung auf Totholz angewiesen sind, zum Beispiel Bockkäfer, Holzfliegen, Wildbienen, Hummeln und Gnitzen. Diese wiederum werden von größeren Tieren (z. B. Spechte, Fledermäuse, Erdkröten, Kreuzottern) als Nahrungsgrundlage genutzt. Schlussendlich verfügt jede Totholzart ob Trocken- oder Moderholz über eine ihr eigene Lebensgemeinschaft in Baumhöhle, Borke, Holz oder Baum-Mulm. Schätzungsweise sind ein Drittel der in Wäldern lebenden Pflanzen, Pilze und Tiere direkt abhängig von Totholz als Nahrung und Lebensraum.
Die durchschnittliche Zunahme von Holz- und Totholzvolumen befindet sich in Prozessschutzwäldern (Wälder die nicht forstwirtschaftlich genutzt werden) oder heute in kaum noch existierenden Urwäldern wie dem Białowieża-Urwald in Polen im Gleichgewicht und beträgt jährlich circa 3.3 m3 pro Hektar Wald. Dieses Volumen entspricht einer stattlichen Fichte mit einem Brusthöhendurchmesser von 45 cm und einer Höhe von 40 m. Neben diesem aktuell anfallenden Totholzvolumen befinden sich in solchen Waldgebieten Totholzreste der vergangen Jahre, die in Einzelfällen aus den letzten 100 Jahren stammen können! Auf einen Hektar Wald können so mitunter 120 m3 Totholz kommen!
In Deutschland ist ein Großteil der Wälder Wirtschaftswald. Dort wird das Totholz meist entfernt oder drastisch reduziert. Damit geht ein enormer Lebensraumverlust einher. Er trifft die Ökosysteme in ihrem Gleichgewicht in empfindlicher Weise und ist ein Hauptgrund dafür, dass sehr viele von Totholz abhängige Tiere, Pilze und Pflanzen gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht sind.
Spezialfall Auensystem: Gerade auch in naturnahen Auen spielt Totholz eine wichtige Rolle – und zwar Totholz, das im Fließgewässer liegt. Zum einen kann es die Fließdynamik an Flüssen und Bächen verändern und damit für dynamische Umbauprozesse im Gewässerverlauf sorgen. So kommt es durch das Hindernis im Flussbett zu einer seitlichen Verlagerung des Hauptstromes und dadurch zu vermehrter Erosion im Uferbereich. Die Herausbildung eines Mäanders ist die Folge. Dabei entstehen Abbruchkanten, Verlandungszonen und Kolke, welche dem Gewässer eine große Strukturvielfalt verleihen. Zum anderen kann das durch Totholz verursachte Aufstauen des Wassers zu kleinräumigen Ausuferungen führen, was ebenfalls der Strukturvielfalt zugutekommt. Außerdem entstehen an solchen Barrieren Verwirbelungen im Wasser, die vermehrt Sauerstoff ins Gewässer eintragen und dadurch mikrobielle Abbauprozesse beschleunigen. Besonders im Zusammenhang mit langsam fließendem Wasser in weitläufigen Mäandern kann sich dadurch im günstigen Fall die Wasserqualität flussabwärts immer weiter verbessern.
Nicht zuletzt stellt im Wasser befindliches Totholz einen Lebensraum für Vögel (Brutplatz, Ansitz), für Fische (Versteck, Laichplatz) und viele andere Wasserlebewesen dar.
Wald und Aue brauchen Totholz von verschiedenen Baumarten in ausreichenden Mengen, als Trocken- und Moderholz in unterschiedlichen Zersetzungsstadien im Wald und als im Gewässer liegendes Totholz. Damit ist eine wichtige Grundlage zur Erhaltung der biologischen Vielfalt gegeben.
Fest steht, in Zukunft muss sich einiges ändern in unseren Wäldern, um diese widerstandfähiger gegenüber Hitze, Dürren und Krankheiten zu machen und damit gleichzeitig die Brandgefahr zu reduzieren. Dafür brauchen wir unter anderem einen konsequenten Waldumbau von Monokulturen aus Fichten oder Kiefern, hin zu Mischwäldern.
Quellen:
Bobiec et al., 2005, The afterlife of a tree
Geo-Artikel
„Steigert Totholz die Waldbrandgefahr?“ von Peter Carstens
(https://www.geo.de/natur/oekologie/steigert-totholz-die-waldbrandgefahr--32597206.html)