Demo am 16. März 2022 in Dohna
IPO stoppen! Der NABU Sachsen positioniert sich.
Ablehnende Stellungnahme zum ersten Teilbebauungsplan
Der NABU fordert: Keine Bebauung des Pirnaer Hochplateaus, keine Schädigung der Schutzgebiete und des Barockgartens Großsedlitz!
Bis zum 29. September 2023 lagen der Bebauungsplan für das erste Teilgebiet des IPO („B-Plan Nr. 1.1 Feistenberg“) sowie die dafür notwendige Ausgliederung des Großteils der Fläche aus dem Landschaftsschutzgebiet in den Behörden und elektronisch aus. Trotz der massiven Bedenken und dem großen Gegenwind vor Ort und landesweit hat der „Zweckverband Industriepark Oberelbe“ in der neuen Planung lediglich die Fläche (vorläufig) halbiert. Ansonsten geht es weiter, als wäre nichts geschehen. Erklärtes Ziel ist weiterhin die Erschließung des gesamten Gebiets.
Der NABU Sachsen hat sich wie bei den früheren Planungsschritten mit ausführlichen Stellungnahmen zum Vorhaben geäußert. Die (zeitweise) Verkleinerung des Plangebiets und die angebliche „Auswertung“ der Stellungnahmen zum ersten Vorentwurf im Sommer 2020 konnten an der ablehnenden Haltung des NABU nichts ändern: Noch immer soll ein viel zu großes Gebiet planreif gemacht und erschlossen werden, obwohl es keinerlei Bedarf dafür gibt und obwohl erhebliche negative Auswirkungen auf Schutzgebiete, auf besonders geschützte Arten und Lebensräume sowie Anwohner und Kulturgüter zu erwarten sind.
Große Sorgen bereitet uns außerdem, wie eine eventuelle Bebauung die Abflussverhältnisse vor Ort beeinflussen wird: Die Fläche liegt auf einem mit fruchtbaren, aber wenig wasserdurchlässigen Lößböden bedeckten Hochplateau, das zu fast allen Seiten steil in die Bach- und Flusstäler abfällt. Schon jetzt wurden im Norden, am sogenannten Hospitalbach, mit großem baulichen Aufwand Rückhaltebecken installiert, die im Fall von Starkregen verhindern sollen, dass das Wasser vom Berg hinab in die besiedelten Bereiche schießt.
Sollte die Fläche auch noch versiegelt werden, so ist natürlich damit zu rechnen, dass noch weniger Wasser durch die Böden zurückgehalten werden kann. Dieses kann bei – zukünftig weitaus häufiger zu erwartenden – Starkregenereignissen zu großflächigen und rasch entstehenden Überschwemmungen der umliegenden, tiefer gelegenen Ortschaften im Seidewitz-, Börnersdorfer-, Müglitz- und Gottleubatal und sogar Pirna im Elbtal führen.
Sehr zu wünschen übrig lässt zudem weiterhin die Ausgleichsplanung. Diese wurde ebenfalls verwässert: Der Ausgleich z. B. für die Vernichtung der Feldlerchenpopulation soll nicht mehr vor Ort realisiert werden, sondern wurde ins 20 km (Luftlinie) entfernte Altenberg verlegt.
Einziger „Fortschritt“: Die „sofortigen Maßnahmen zum Erhalt der ökologischen Funktionen“ („CEF“) sollen nun verbindlich – wie das auch vorgeschrieben ist – vor Umsetzung der Planung realisiert und halbwegs dauerhaft gesichert werden.
Wir haben die Planung ebenso wie die Ausgliederung aus dem Schutzgebiet vollständig abgelehnt. Denn der Anlass – die Erschließung eines Gewerbegebietes auf der „grünen Wiese“ ohne konkreten Bedarf – fällt unter die Verbote laut LSG-Verordnung und rechtfertigt bzw. begründet aus unserer Sicht auf keinen Fall eine solche Planung. Auch wurden Alternativen immer noch nicht ausreichend geprüft. Eine Beeinträchtigung des LSGs ist auf jeden Fall gegeben: Es soll ca. 23 Hektar (6,5 Prozent) seiner Fläche verlieren. Beeinträchtigt werden nach unserer Überzeugung auch die vier umliegenden FFH-Gebiete – darunter das Kulturgut und FFH-Gebiet „Barockgarten Großsedlitz“ – sowie die SPA-Gebiete „Elbtal zwischen Schöna und Mühlberg“ und „Osterzgebirgstäler“.
Unser Dank gilt den vielen engagierten NABU-Mitgliedern und Bürgern vor Ort, die sich immerzu und weiterhin mit viel Kraft und Aufwand gegen diese unsinnige 90er-Jahre-Planung stemmen. Vielen Dank auch an die fleißigen Stellungnahmenschreiber, von denen uns viele ihre eigenen Stellungnahmen zur Info zugesandt haben.
Allgemeines zum Vorhaben:
Wie aus der Zeit gefallen wirkt die Planung für den Industriepark Oberelbe (IPO). Südöstlich von Dresden, in der Nähe des einzigen sächsischen Nationalparks, der Sächsischen Schweiz, soll das gigantische Bauvorhaben umgesetzt werden. Das Plangebiet für das Gewerbegebiet umfasst eine Fläche von ca. 280 Hektar. Ungefähr die Hälfte davon soll vollständig bebaut und voll versiegelt werden. Ansiedeln dürfen sich alle möglichen Industriebetriebe, auch besonders laute und dreckige. Ernsthafte Interessenten gibt es jedoch bis heute nicht.
Das Plangebiet befindet sich in unmittelbarer Nähe des bedeutenden Kulturdenkmals „Barockgarten Großsedlitz“ und zwar direkt in den Sichtachsen, die für die damaligen Planer entscheidende Gestaltungselemente waren. Aber damit nicht genug, ist der Barockgarten aufgrund seines ökologischen Wertes auch als FFH-Gebiet (Naturschutzgebiet mit europaweiter Bedeutung) unter Schutz gestellt. Im näheren Umfeld finden sich zudem drei weitere FFH-Gebiete.
Planungsträger ist der „Zweckverband IndustriePark Oberelbe“. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss der drei Kommunen Pirna, Heidenau und Dohna. Ein Vorteil eines solchen Zusammenschlusses: „interkommunale“ Gewerbegebiete haben höhere Genehmigungschancen und bekommen höhere Zuschüsse aus der Wirtschaftsförderung.
Ein riesiges Gewerbegebiet auf die „grüne Wiese“ bauen, dessen Umfang die Flächensparziele von Landes- und Bundesregierung bei Weitem überschreitet, und dabei Denkmal-und Naturschutz völlig ignorieren – wir hätten gedacht, das gibt es 2022 nicht mehr! Zumal es bislang weder eine konkrete ernsthafte Nachfrage nach Industrieflächen noch einen Investor gibt. Dennoch wurde bereits viel Geld für Gutachten und Planungen ausgegeben.
Doch weit gefehlt: Trotz massiver Kritik und gewichtigen naturschutz- und planungsrechtlichen Problemen plant der Zweckverband fleißig weiter. Der neue strategische Coup: Nachdem beim Beteiligungsverfahren für den Gesamtplan eine Unmenge ernstzunehmender Einwände vorgebracht wurden, beginnt man stattdessen einfach einen eigenen Bebauungsplan für ein erstes Teilgebiet („Feistenberg“) aufzustellen. Aber auch das umfasst schon eine halb so große Fläche - immerhin noch 140 Hektar mit ca. 80 Hektar Vollversiegelung!
Kritikpunkte:
Der NABU Sachsen lehnt die Planung aus zahlreichen Gründen ab und hat dies auch in seinen Stellungnahmen zu den verschiedenen Einzelverfahren (Flächennutzungsplanung, Bebauungsplanung) deutlich gemacht. Durch die Beteiligung am Verfahren und die Formulierung umfassender Kritik steht dem NABU Sachsen und seinen Partnern damit auch der Rechtsweg offen.
Im Einzelnen kritisieren wir an der IPO-Planung:
- Der IPO gefährdet ökologische Werte: Wir lehnen das Vorhaben natürlich zuallererst aus Sicht des Naturschutzes ab. Es gefährdet vorkommende Arten und Lebensräume. Teilweise handelt es sich dabei nach deutschem und europäischem Recht um streng geschützte. Zu den Arten gehört die als Vogel der Feldflur massiv bedrohte Feldlerche. Und im direkten Umfeld befinden sich vier FFH-Gebiete, zu deren effektivem Schutz wir auch durch europäisches Recht verpflichtet sind. Auch ein ausreichender, funktionierender Ausgleich ist bislang nicht zu erkennen.
- Lärmschutz: Der IPO wird zur weiteren Verlärmung unserer Landschaft führen. Lärm beeinträchtigt die menschliche Gesundheit ebenso wie die von Tieren. Wohngebiete und Lebensräume verlärmen und werden weniger attraktiv. Zudem ist unklar, wie lärmintensiv eventuell sich ansiedelnde Gewerbe sein werden.
- Klimaschutz: Der IPO befördert den Klimawandel. Versiegelung beseitigt die CO2-Bindung der Flächen, das Industriegebiet führt zu mehr Lkw-Verkehr (eine Bahnanbindung ist nicht vorgesehen) und Emissionen.
- Der IPO führt zu einem massiven Flächenverbrauch: Die geplante Versiegelung von insgesamt 140 Hektar Grün- und Ackerfläche (1.400.000 m² / ca. 200 Fußballfelder) in der letzten Ausbaustufe ist nicht akzeptabel. Der Freistaat hat sich das Ziel gesetzt, täglich maximal 2 Hektar Fläche zu versiegeln; dann dürfte 70 Tage lang in Sachsen kein Bagger rollen, während der IPO gebaut wird! Der Bund hat sich sogar ein „Null-Hektar-Ziel“ („netto null“) gesetzt, das bis 2030 um gesetzt werden soll! Bundesweit werden derzeit noch immer täglich über 50 ha Fläche „verbraucht“.
- Der IPO führt zu dramatischen Veränderungen im Wasserhaushalt: Riesige Versickerungsflächen verschwinden. Keiner weiß, was beim nächsten Starkregen passieren wird. Und wasserintensive Produktion führt zu mehr Wasserverbrauch - Wasser, das für Menschen, Tiere und Pflanzen fehlt.
- Der IPO gefährdet unser kulturelles Erbe! Auch der Denkmalschutz, hier vor allem der Gartendenkmalschutz, ist uns als NABU ein Anliegen. Denkmale sind ein wichtiger Teil unseres kulturellen Erbes. Zudem sind großzügige Gartenanlagen Rückzugsräume für Mensch und Tier. Wenig gestörte Lebensräume können „Reservate“ für Pflanzen und Tiere unserer sonst zu intensiv genutzten Landschaft sein – und natürlich auch für den erholungssuchenden Menschen. Voraussetzung dafür ist, dass sie intakt und ruhig sind.
- Der IPO ist nicht zuletzt Steuergeldverschwendung! Noch ist nicht einmal klar, ob sich Firmen ansiedeln und wenn ja, welcher Art von Gewerbe oder Industrie sie angehören werden. Der IPO ist damit teure „Vorratsplanung“ mit enormen Investitionskosten für den Flächenkauf, die Flächenvorbereitung und den Leitungsbau. Zumal es noch immer in der Region zahlreiche unsanierte Industriebrachen gibt. Und diese könnte den Zweckverband sogar dazu zwingen, die Auflagen möglichst gering zu halten und jeden noch so lärmintensiven oder wasserverbrauchenden Industriebetrieb zu genehmigen.
Für uns ist das eine „Dinosaurier“-Planung – so wie in der Stadt Emden. Diese hat von uns als NABU gerade den „Dinosaurier des Jahres“ für eine Planung, in deren Zuge mehr als zwei Drittel des 75 Hektar großen Gebietes versiegelt werden sollen, erhalten. Der Dinosaurier wird seit 1993 für besonders rückwärts gerichtete Köpfe und Pläne verliehen.
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Redebeitrag von Philipp Steuer vom NABU Sachsen auf der Demo am 16. März in Dohna
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Luftbild von der Fläche, die zum Gewerbegebiet werden soll, Foto: Philipp Steuer
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Barockgarten Grosssedlitz, Foto: Sylvio Dittrich, Quelle: www.schloesserland-sachsen.de
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Luftbild der Schutzgebiete und dem IPO-Plangebiet (Großsedlitz, Dohna, Pirna), Quelle: RAPIS - Raumplanungsinformationssystem Sachsen (05/ 2022)
Was wir tun:
Wir als NABU – und hier vor allem unsere aktive Ortsgruppe in Heidenau – engagieren uns seit vielen Jahren gegen die IPO-Pläne. Dazu nutzen wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel und Wege:
- Wir beteiligen uns an den Planverfahren, prüfen die vorgelegten Unterlagen und schreiben umfangreiche ablehnende Stellungnahmen. Wir zeigen die Grenzen und Fehleinschätzungen, die rechtlichen Grauzonen in den Plänen auf und fordern ihren Stopp. Für den Fall der Fälle halten wir uns so den Rechtsweg offen.
- Wir unterstützen die Aktiven vor Ort, wie die NABU-Gruppe Heidenau und die Bürgervereinigung (BV) „IPO stoppen!“
- Wir beteiligen uns an Demos und Veranstaltungen, wie z.B. der Demo am 16. März 2022 in Dohna: siehe "NABU und Bürgervereinigung „IPO stoppen“ rufen zur Demo am 16. März in Dohna auf"
- Wir begleiten öffentliche Veranstaltungen, Zweckverbands- / Stadtratssitzungen, und vieles mehr kritisch.
- Wir unterstützen bei politischen Initiativen, dem Offenen Brief und der Petition.
Wobei Sie uns unterstützen können:
- Stellungnahme zum B-Plan NR. 1.1 verfassen > zum Aufruf
- Petition unterschreiben > openpetition
- Offenen Brief unterzeichnen (s. unten)
- kritisch bei Verwaltung und Planern, im Stadtrat und im Zweckverband nachfragen
- Petition und Informationen mit anderen teilen
- Mitglied werden oder spenden
Unsere Stellungnahmen zum Verfahren:
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