Schützenswerte Reptilienart in Sachsen
Die Kreuzotter im Porträt
Sicher würde sich mancher Leser einen Abriss über die Situation der Kreuzotter in ganz Deutschland wünschen. Doch dazu fehlen den Autoren ausreichend Grundlagen und es sei hierbei auf die ausführliche Schilderung von SCHIEMENZ et al. (1996) hingewiesen.
In Sachsen lässt sich die Erforschung der Kreuzotter bis in das 19. Jahrhundert zurück verfolgen. TOBIAS (1865) publizierte Vorkommen Ostsachsens. Rudolf Zimmermann (1878–1943), der bekannte Tierfotograf, Zoologe und Naturschützer, befasste sich anfangs mit Lurchen, Kriechtieren und kleinen Säugetieren, bevor die Ornithologie sein Hauptinteresse wurde. Zwei weitere Namen, Hans-Jürgen Biella (1944–1994) und Hans Schiemenz (1920–1990), verbinden sich in Sachsen eng mit den Studien zur Biologie und Ökologie der Schlange. Beiden sind wichtige und wertvolle Grundlagen für die Bemühungen zum Schutz der Kreuzotter zu verdanken.
Die einzige Giftschlange Ostdeutschlands ist eine der insgesamt drei Schlangenarten, die in Sachsen vorkommen. Ebenso wie in den übrigen vier ostdeutschen Bundesländern fehlen hier weitere, nur in westdeutschen Bundesländern vorkommende Schlangenarten. Lediglich die Würfelnatter (Natrix tesselata) lebt seit kurzem wieder an der Elbe. Da es sich hierbei jedoch um eine Wiederansiedlung im ehemals besetzten Fundort (SCHIEMENZ 1980) handelt, wäre es noch verfrüht, von einem aktuell autochthonen Vorkommen zu sprechen.
Sachsen ist durch eine Vielfalt von Landschaftsraumeinheiten auf relativ kleinem Gebiet gekennzeichnet. Die drei großräumigen Haupteinheiten Nordsächsisches Flachland, Sächsische Gefildezone und Sächsische Mittelgebirgszone (nach NEEF 1960 in SCHIEMENZ 1980) besitzen insgesamt einen Höhenunterschied von mehr als 1.100 Höhenmetern (von etwa 75 m im Leipziger Land bis 1.214 m ü. NN auf dem Gipfel des Fichtelbergs). Hinzu kommt im Osten noch der direkte Anschluss an die Sudeten, die partiell sogar die alpine Stufe erreichen, sonst aber großflächig von subalpinen Hochflächen geprägt sind. Die Hauptverbreitung der Schlange entspricht der Verbreitung der azidophilen Zwergstrauchheiden auf Moor- und Podsolböden (SCHIEMENZ 1980). Während im Tiefland mehr oder weniger ausschließlich die verbliebenen Moorgebiete mit ihren Grenzbereichen bewohnt werden, siedelt die Kreuzotter im Mittelgebirge in einer breiten Palette von Biotoptypen. Obwohl auch hier ursprünglich die Moore sowie natürliche Blockhalden deren Habitate bildeten, konnte die Schlange infolge der Waldbewirtschaftung viele weitere Lebensraumtypen erobern. Trotzdem zeigen die Habitatpräferenzen der Schlange, dass sie zu Recht in Mitteleuropa als boreales Faunenelement und Glazialrelikt gilt (MERTENS 1947 in BIELLA & VÖLKL 1993).
In Sachsen gibt es zwar auch wenige größere „kreuzotterfreie“ Gebiete, die sich in der Lommatzscher und Großenhainer Pflege sowie der Leipziger Tieflandsbucht befinden (SCHIEMENZ 1995). Trotzdem kommt dem sächsischen Areal eine hohe Bedeutung für die Verbreitung der Schlange zu. Für ganz Deutschland liegt einer der traditionellen Verbreitungsschwerpunkte in den waldreichen Mittelgebirgen entlang der deutsch-tschechischen Grenze mit derzeit noch stabilen Populationen (VÖLK & BIELLA 1993). Die von SCHIEMENZ (1995) ermittelte Präsenzdichte von 51,1 Prozent (bezogen auf Messtischblatt-Quadranten) dürfte kaum von anderen Bundesländern übertroffen werden. Der Regierungsbezirk Chemnitz nimmt dabei mit einer Rasterfrequenz von über 70 Prozent die Spitze Sachsens ein. Auffällig sind jedoch auch Unterschiede in der Verbreitungsdichte in den Mittelgebirgen Sachsens. Außer dem bereits erwähnten Erzgebirge/oberen Vogtland besitzt die Art auch im Elbsandsteingebirge einen Verbreitungsschwerpunkt. Dagegen ist sie im Lausitzer Bergland seltener (SCHIEMENZ 1995). Hier besitzt sie unter anderem Vorkommen im Hohwald, einem ca. 30 Quadratkilometer großen Waldgebiet an der Grenze zu Tschechien, und am Czorneboh bei Bautzen.
Außerhalb der Gebirgsregion befindet sich in der Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft ein echter Verbreitungsschwerpunkt der Kreuzotter. Hier kann sie nicht selten gemeinsam mit der Schlingnatter (Coronella austriaca) in ein und demselben Biotop beobachtet werden. Im Biosphärenreservat „Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft“ sowie in der Radeburger Heide ist es darüber hinaus nicht selten, dass man alle drei Schlangen- und drei Echsenarten Sachsens – Kreuzotter, Schling- und Ringelnatter (Natrix natrix) sowie Blindschleiche (Anguis fragilis), Zaun- (Lacerta agilis) und Waldeidechse (Zootoca vivipara) – auf engstem Raum gemeinsam vorkommendend findet. In dieser Landschaft finden sich die von ihr präferierten Moorhabitate noch am häufigsten. Außerhalb dieser kann die Schlange jedoch auch in Saumbereichen von Kiefern-Schonungen, entlang vergraster Waldwege sowie breiter, mit Zwergsträuchern bewachsenen Schneisen beobachtet werden (BIELLA 1977, SCHRACK 1999).
Trotzdem es noch stabile Vorkommen im Tiefland sowie im Erzgebirge gibt, ist nicht zu übersehen, dass die Schlangenart große Bestandsteinbußen hinnehmen musste. Auch wenn heute eine gezielte Ausrottung, verbunden mit einer Zahlung von Prämien, der Vergangenheit angehören dürfte, bewegen sich zahlreiche Vorkommen möglicherweise am Rande des Aussterbens. Die geeigneten Lebensräume schwinden ständig. Verbliebene Habitate sind oft genug starken Störeinflüssen durch den Menschen ausgesetzt (vgl. SCHIEMENZ 1995, SCHIEMENZ et al. 1996, TEUFERT 1994, VÖLKL & BIELLA 1993). Nur gut durchdachte Schutzmaßnahmen für die Lebensräume der Schlange können den Negativtrend stoppen. Dazu gehört auch, in Wäldern mit Kreuzotter-Vorkommen von der sonst üblichen Forststrategie – keine Kahlschläge mehr – abzurücken. Gerade die Jungforste (Nadelholzschonungen) auf ehemaligen Kahlschlägen sind in Mitteleuropa die meistbesiedelten Habitate (SCHIEMENZ 1995). Natürlich bedeutet Lebensraumschutz auch, die verbliebenen Moorlandschaften zu erhalten. Damit bleibt uns nicht nur eine schöne und interessante Reptilienart erhalten, sondern auch unzählige weitere faunistische und floristische Kostbarkeiten profitieren von solch einem Naturschutz.
Literatur
BIELLA, H.-J. (1977): Studien zur Verbreitung und Ökologie der Kreuzotter (Vipera b. berus L.) in der Oberlausitz. Abh. Ber. Naturk. Mus. Görlitz 51(4): 1–9.
BIELLA, H.-J. & W. VÖLKL (1993): Die Biologie der Kreuzotter (Vipera berus, L. 1758) in Mitteleuropa. In GRUSCHWITZ, M., P.-M. KORNACKER, R.
PODLOUCKY, W. VÖLKL & M. WAITZMANN: Verbreitung, Ökologie und Schutz der Schlangen Deutschlands und angrenzender Gebiete. Mertensiella 3: 311–318.
SCHIEMENZ, H. (1980): Die Herpetofauna der Bezirke Leipzig, Dresden und Karl-Marx-Stadt. Faun. Abh. Mus. Tierkd. Dresden 7(22): 191–211.
SCHIEMENZ, H. (1995): Die Kreuzotter. 3. unveränderte Auflage. Die Neue Brehm-Bücherei 332, Westarp Wissenschaften, Magdeburg.
SCHIEMENZ, H., H.-J. BIELLA, R. GÜNTHER & W. VÖLKL (1996): Kreuzotter – Vipera berus (LINNAEUS, 1758). In GÜNTHER, R. (Hrsg.) Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. Gustav Fischer Verlag, Jena.
SCHRACK, M. (1999): Zum Vorkommen und zur Lebensweise der Kreuzotter (Vipera berus [L., 1758]) in der Radeburger und Laußnitzer Heide. Veröff. Mus. Westlausitz Kamenz. 21: 67–86.
TEUFERT, S. (1994): Herpetofauna des Kreises Bischofswerda (RB Dresden). Beiheft zur Jahresschrift Feldherpetologie und Ichthyofaunistik.
TOBIAS, R. (1865): Die Wirbeltiere der Oberlausitz. Abh. der Naturforschenden Gesellschaft Görlitz, Bd. 12.
VÖLKL, W. & H.-J. BIELLA (1993): Ökologische Grundlagen einer Schutzkonzeption für die Kreuzotter Vipera berus (LINNAEUS 1758) in Mittelgebirgen. In GRUSCHWITZ, M., P.-M. KORNACKER, R. PODLOUCKY, W. VÖLKL & M. WAITZMANN: Verbreitung, Ökologie und Schutz der Schlangen Deutschlands und angrenzender Gebiete. Mertensiella 3: 357–368.