Bedrohter Blühwiesenfreund
Das Braunkehlchen ist „Vogel des Jahres 2023“
Deutschland hat gewählt: Bis zum 27. Oktober 2022 stand der Vogel des Jahres zur öffentlichen Wahl. Fast 135.000 Menschen haben mit abgestimmt. Den Titel für das Jahr 2023 hat mit überragendem Abstand das Braunkehlchen geholt.
Mit seiner namensgebenden orange-braunen Brust, den dunkelbraun gefleckten Flügeln und einer Größe von 12 bis 14 Zentimetern gibt sich das Braunkehlchen auf den ersten Blick bescheiden. Das einzige exzentrische Detail, das es sich erlaubt, ist ein heller Streifen über dem Auge – bei Männchen in leuchtendem Weiß –, der ihm den Spitznamen „Wiesenclown” verleiht. Ganz in Clownmanier sieht man Braunkehlchen selten stillsitzen. Ähnlich wie Rotkehlchen „knicksen“ sie oft und wippen mit dem Schwanz.
Leider kann das Braunkehlchen den Preis nicht persönlich entgegennehmen, denn es ist ein Langstreckenzieher und bereits im September auf eine 5000 Kilometer weite Reise in sein Winterdomizil südlich der Sahara aufgebrochen. Im April ist es dann hoffentlich wieder zu hören und begleitet uns mit seinen zarten „Djü“-Rufen durch die Abend- und Nachtstunden.
Alarmierender Rückgang auch in Sachsen
Braunkehlchen lieben feuchte Wiesen, Brachen und Feldränder. Wichtig sind einzelne Büsche, hohe Stauden oder Zaunpfähle, welche die Vögel als Sing- und Ansitzwarte nutzen. Allerdings verschwindet genau diese Art von Lebensraum seit Jahren in rasendem Tempo – und mit ihr das Braunkehlchen. In Deutschland leben noch 19.500 bis 35.000 Brutpaare, Tendenz stark fallend.
Auch in den Wiesenlandschaften Sachsens war das Braunkehlchen einst ein weit verbreiteter Singvogel. Seit den 1960ern und 1970ern wird es jedoch zunehmend zurückgedrängt. Hauptursache dafür sind Lebensraumveränderungen, wie die Entwässerung von Feuchtgrünland oder die Umwandlung von Grünland in Acker, und unangepasste Bewirtschaftung, zum Beispiel die Nutzung von vorher ungenutzten Bereichen, zu zeitige oder häufige Mahd oder die Beweidung von Grünland während der Brutzeit.
Mittlerweile ist das Braunkehlchen in Sachsen stark gefährdet: Wurden bei der erstmaligen landesweiten Bestandserfassung von 1978 bis 1982 noch zwischen 2.500 und 5.000 Brutpaare gezählt, waren es zwischen 2004 und 2007 nur noch 1.500 bis 3.000. Für 2016 wurde das Vorkommen in Sachsen auf lediglich 500 bis 800 Brutpaare geschätzt. Rückzug findet das Braunkehlchen heute hauptsächlich in den kammnahen Lagen des Erzgebirges und in Bergbaufolgelandschaften.
Ein klares Nein zur intensiven Landwirtschaft
Schon 1987 führte der alarmierende Rückgang des Braunkehlchens zu seiner Wahl zum “Vogel des Jahres”. Mit der dritten öffentlichen Wahl schickt das ornithologisch begeisterte Deutschland nun eine klare Botschaft an Landwirtinnen und Landwirte, vor allem aber an die Politik: Denn für den Erhalt der Artenvielfalt braucht es eine vielfältige und ökologische Landwirtschaft. Wer im Alltag einen Beitrag zum Schutz der kleinen Singvögel leisten will, sollte daher auf den Kauf von heimischen, ökologisch produzierten Lebensmitteln achten und auf Pflanzenschutzmittel verzichten.