Die Ausgezeichneten: Dr. Peter Hummitzsch (2. v. l.), Goldene Ehrennadel und Uwe Seidel (3. v. l.), Bronzene Ehrennadel - Foto: Ina Ebert
2. Weißstorchtagung des NABU Sachsen –
ein Resümee
Es bleibt viel zu tun! Alle Akteure sind gefragt!
Im Landgestüt von Moritzburg fand am 23. April 2016 die 2. Sächsische Weißstorchtagung des NABU Sachsen und des SMUL statt. Weißstorchfreunde aus ganz Sachsen waren gekommen, um Neues über den Lebensraumschutz für den Weißstorch zu erfahren. Trotz zahlreicher biotopaufwertender Maßnahmen hat sich der Bruterfolg der Weißstörche in Sachsen nicht verbessert und bleibt seit Mitte der 2000er-Jahre auf einem zu niedrigen Niveau. Ursache hierfür ist in erster Linie die intensive naturunverträgliche Landnutzung, die der verfehlten Agrarförderpolitik geschuldet ist. Zudem machen bürokratische Hürden, fehlende öffentliche Finanzierungsmöglichkeiten und die sich verschärfende Flächenknappheit den Weißstorchschützern ihre Arbeit immer schwerer.
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Dr. Matthias Görbert, Leiter des Landgestüts Moritzburg, richtet ein Grußwort an die Tagungsgäste - Foto: Ina Ebert
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Ein weiteres Grußwort richtet Dr. Hartmut Schwarze vom SMUL an die Tagungsgäste - Foto: Ina Ebert
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Das Plakat zur Weißstorchtagung schmückt den historischen Ofen im Tagungsraum - Foto: Ina Ebert
Der NABU-Landesvorsitzende Bernd Heinitz eröffnete die Tagung. Er forderte in Anbetracht der Tatsache dass es bei der aktuellen Situation des Weißstorches in Sachsen noch keine Entwarnung gibt, ein verstärktes Engagement des Freistaates. Auch im Fördermittelranking ist, da es sich um ein Artenschutzprojekt des Freistaates handelt, eine stärkere Wichtung angebracht. Weiterhin würdigte er die Leistungen der ehrenamtlichen Weißstorchbetreuer Sachsens. Die Tagung nahm er zum Anlass, zwei langjährige, aktive NABU-Mitglieder auszuzeichnen: Dr. Peter Hummitzsch, Gründungsmitglied des NABU Sachsen, erhielt die Goldene Ehrennadel des NABU. Der Schutz des Weißstorchs ist ein Arbeitsschwerpunkt der bereits 1951 gegründeten Fachgruppe Ornithologie Radebeul, deren Vorsitzender er seit 35 Jahren ist. Uwe Seidel wurde die Bronzene Ehrennadel des NABU überreicht, als Anerkennung für sein Engagement in der NABU-Gruppe Belgershain-Otterwisch und für die Leitung von Weißstorcherfassung und Weißstorchschutz im gesamten ehemaligen Regierungsbezirk Leipzig.
Nach einem Grußwort von Gestütsleiter Dr. Matthias Görbert erläuterte Dr. Hartmut Schwarze vom SMUL die Situation des Weißstorchs im Freistaat. Schwierigkeiten sah auch er bei der oftmals fehlenden Flächenverfügbarkeit für den Natur- und Artenschutz und der derzeit für den Weißstorch zum Teil nur schwierig erlangbaren staatlichen Fördermöglichkeiten. Er bedauerte, dass 2016 für beantragte Maßnahmen zum Schutz des Weißstorchs keine Fördergelder gezahlt werden. Als Grund nannte er, dass der Weißstorch derzeit keine prioritäre Art mehr ist und die Kriterien für die Fördermittelbewilligung damit aktuell nicht erfüllt werden. Er machte jedoch Hoffnung auf 2017. Dann sollen geänderte Auswahlkriterien greifen.
Hendrik Trapp vom LfULG trat als erster Referent auf und berichtete vom Sachstand und den künftigen Herausforderungen für das sächsische Artenschutzprogramm Weißstorch. Ein von ihm benanntes „Sorgenkind“ des Weißstorchschutzes ist die zu intensive Landwirtschaft. Erfreulich sei, dass immerhin 110 Hektar weißstorchgerechte Staffelmahd 2015 in Sachsen durchgeführt wurde, aber dass noch viel weiteres Potenzial für den Weißstorchschutz in einer naturschutzgerechteren Landnutzung stecke. Er dankte den anwesenden Weißstorchbetreuern für ihr großes Engagement und die Bereitstellung ihres immensen Wissens über das Geschehen auf den Storchenhorsten. Gleichzeitig bat er, zukünftig auch verstärkt zu erfassen, wo und auf welchen Flächen die Weißstörche auf Nahrungssuche unterwegs sind. Mit diesen Erkenntnissen könnten vielleicht die Ursachen für die an verschiedenen Weißstorchhorsten aufgetretenen Probleme gefunden und wichtige Nahrungsflächen in Zukunft besser geschützt werden. Positive Nachrichten konnte er beim Thema Sterblichkeit von Jung- und Altstörchen innerhalb Sachsens vermelden. Nur wenige Großvögel waren in den zurückliegenden Jahren noch Stromopfer an Mittelspannungsmasten geworden. Hier hat der „Vogelschutzparagraph“ im Bundesnaturschutzgesetz seine Wirkung gezeigt. Weitere Gefahrenquellen, wie z. B. die Überspannung von fischereilich genutzten Gewässern mit Netzen, sollen identifiziert und zukünftig behoben werden. Trapp betonte in seinen Abschlussworten, dass Beiträge von Landnutzern zum Artenschutz im Rahmen des Greening erwartet werden und aktiver Weißstorchschutz auf Eigentumsflächen des Freistaats möglich sein muss.
„Es geht sanft bergab. Der Bruterfolg ist ein Indikator für den ökologischen Zustand im Brutgebiet. Auch wetterbedingt kommen auf den Weißstorch zukünftig strapaziöse Zeiten zu.“: mit diesen Worten kommentierte Dr. Jan Schimkat vom NABU-Naturschutzinstitut Dresden die Entwicklung des Bruterfolgs der Weißstörche in Sachsen. Die 2016 flügge werdenden Störche steuern den Brutpaarbestand 2021, also 5 Jahre später; die zurückliegenden Jahre lassen daher Bestandseinbrüche in den kommenden Jahren befürchten. Etwa seit 1994 ist das Dilemma bei der Bestandsentwicklung sichtbar, Indiz dafür, dass sich im Gegensatz zu den beiden Nachbarländern Sachsen-Anhalt und Brandenburg die landwirtschaftliche Situation besonders schlecht darstellt. Sabrina Lott, ebenfalls vom NABU-Naturschutzinstitut, berichtete vom Stand der Lebensraummaßnahmen. Seit 2010 konnten im Rahmen des Artenschutzprogramms Weißstorch knapp ein Drittel der geplanten Maßnahmen umgesetzt werden bzw. befinden sich gerade in der Ausführung. Neue Maßnahmenvorschläge werden fortlaufend gesammelt. Allerdings hat sich gezeigt, dass eine Umsetzung großflächiger oder komplexer Lebensraumschutzmaßnahmen in der derzeitigen, angespannten Fördermittel- und Flächensituation kaum mehr möglich ist. Deshalb konzentriere sich das Programm auf die Schaffung und Revitalisierung von Kleinbiotopen zur Stärkung des Biotopverbundes. Lott schilderte, dass die organisatorischen und planerischen Vorarbeiten – sei es die Anfertigung von Unterlagen zur Einholung von Genehmigungen, die Berücksichtigung von Auflagen und Verfahrensrichtlinien oder das Prozedere der Akquise/Beantragung von Finanzmitteln – über die Jahre immer aufwendiger und bürokratischer wurden. Sie betonte, wie wichtig es für den Erfolg von Maßnahmen ist, ein Netz guter und verlässlicher Partner zu haben, wie den NABU-Landesverband und die NABU-Gruppen vor Ort.
Dem Thema (Zug)-Vogelschutz war Lars Lachmann, Referent für Ornithologie und Vogelschutz beim NABU-Bundesverband, auf der Spur. Er sprach von 39 in Deutschland bekannt gewordenen Fällen illegaler Zerstörungen von Greifvogel- und Schwarzstorchhorsten in der Nähe von Windkraftanlagen. Probleme verursachen auch der illegale Abschuss von Vögeln und der Handel auf dem Weg zu oder in den Überwinterungsgebieten. Er sprach von Mafiabusiness beim Fangen von Singvögeln – Ägypten ist mit 5,7 Millionen gefangenen Vögeln trauriger Spitzenreiter – und ihrem Export als Delikatesse nach Saudi Arabien. Schockierende Daten auch aus anderen Ländern: 3,9 Millionen getötete Vögel in Syrien, 2,6 Millionen im Libanon, Malta (EU-Mitglied) legalisierter Abschuss von 10.000 Turteltauben. Nicht zuletzt erwähnte er auch die Balkanstaaten, Spanien und Deutschland, in denen illegal Vögel gefangen werden. Eine „Inventarisierung“ der Vogelfänge ist 2017 für weitere Länder geplant. Auch eine Änderung der Vogelschutzrichtlinie wird angestrebt.
Dr. Peter Hummitzsch vom NABU Radebeul mahnte als logische Konsequenz seiner detaillierten Analyse der Populationsökologie der Weißstörche in der Region Dresden die konsequente Belebung, Verstärkung und gute finanzielle Ausstattung des sächsischen Weißstorch-Artenschutzprogrammes an, damit Sachsen seinen europäischen und nationalen Verpflichtungen zur Sicherung eines günstigen Erhaltungszustandes des Weißstorchs gerecht wird.
Nach der Mittagspause stellte Klaus Döge vom NABU und BUND Otterwisch die Internetseite Sachsenstorch vor. Seiner Initiative ist es zu danken, dass sächsische Weißstorchbetreuer eine Plattform haben, auf der sie aktuell berichten können und Interessierte jede Menge Informationen über die Weißstorchhorste abrufen können. Er bat die Anwesenden darum, die Seite mit noch mehr Leben zu erfüllen, denn umso umfangreicher die Inhalte, desto größer die Frequenz. Dazu trägt 2016 Dank mehrerer Sponsoren erneut eine Webcam bei, die einen Einblick in das Leben der Otterwischer Störche gewährt.
Uwe Seidel, Weißstorchbetreuer für den Raum Leipzig, stellte die Fülle der Weißstorchhorste in Westsachsen in Wort und Bild vor. 50 Prozent der aktiven Horste befinden sich auf Schornsteinen, eine Vielzahl auch auf Gitterhorsten. Oelzschau nannte er als erfolgreichsten Horst. Hier flogen in 50 Jahren 150 Jungstörche aus, allein 2015 waren es 5. Unter den jeweils auch im Bild gezeigten Horsten waren u. a. der höchste auf einem Schornstein in Gotha, der im Moment im Altkreis Grimma südlichst besetzte Horst in Sermuth an der Mulde, der südlichste aktive Horst Sachsens in Jahnshain im Altkreis Geithain auf einer Esse, der nördlichste an der Landesgrenze zu Sachsen Anhalt in Greudnitz an der Elbe, der älteste Standort in Malkwitz und ein mobiler Horst auf vier Rädern in einer Kompostieranlage, der auch schon mal um 250 Meter verschoben wurde. Seit 2010 führt Seidel für Günter Erdmann, den ehemaligen Weißstorchbetreuer für den Raum Leipzig, das Ehrenamt fort.
Die Störche in ihrem Jahresrhythmus begleitete im letzten Vortrag der Tagung Horst Köppler vom NABU Großenhain. Bereits während der Pausen liefen zur Einstimmung seine Weißstorch-Kurzfilme. „Woran sieht man, dass die Jungstörche geschlüpft sind? Der Altstorch sitzt nicht mehr im Nest, er steht./Bewachte Phase der Aufzucht/Phase des Alleingelassenseins“: so brachte er viele Fakten auf den Punkt. Er empfahl neue Publikationen, u. a. eine aktuelle Veröffentlichung zum Thema „Warum reduzieren Altstörche ihre Jungenzahl?“ Außerdem wies er auf zahlreiche Gefahren für Weißstörche vor Ort hin: Feuerwerk, Windkraft, Wasserzisternen, Waschbären, Nilgänse sowie veränderte Gewohnheiten der Weißstörche bei der Nahrungssuche, wofür sie gefährlich nahe am Straßenrand entlangwandern.
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Erster Haltepunkt der Exkursionsteilnehmer am erfolgreichen Weißstorch-Brutzplatz in Berbisdorf - Foto: Ina Ebert
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In Sichtweite: ein Weißstorch in der Seifenbachaue - Foto: Ina Ebert
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Im Exkursionsgebiet Seifenbachaue - Foto: Ina Ebert
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Uwe Stolzenburg und Dr. Peter Hummitzsch führen die Gäste zu den Exkursionsorten - Foto: Ina Ebert
Die anschließende Exkursion führte zum Weißstorchbrutplatz in Berbisdorf. Dr. Peter Hummitzsch, Betreuer dieses Nistplatzes, berichtete, dass sich der Brutplatz auf einer Brennereiesse des nahe gelegenen Wasserschlosses Berbisdorf befand. Der Abriss des Schornsteins veranlasste seine Fachgruppe 1973, auf der nahegelegenen Scheune zwei Dachreiter zu installieren. Von da an brütete der Weißstorch regelmäßig, da der Horst in Abständen entlastet und der Dachreiter selbst erneuert wurde Im Jahr 2007 plünderte der Waschbär das Nest und die Störche wichen 2008 auf eine in der Nähe stehende Schwarzerle aus. 2009 kippte das Nest in den Schlossteich, die Jungen wurden in eine Wildvogelauffangstation gegeben. Seit 2010 steht nun der Mast, der vom NSI Dresden errichtet wurde.
Bei Nieselregen ging es dann, entlang von Benjes- und Schlehenhecken, die die NABU-Fachgruppe Großdittmannsdorf betreut, in die Seifenbachaue. Hier konnten sich die Exkursionsteilnehmer vom Erfolg mehrerer Artenschutzmaßnahmen überzeugen. Uwe Stolzenburg berichtete, dass vom NSI Dresden im Rahmen des Weißstorch-Pilotprojekts am Seifengraben in den Jahren 1999 und 2000 2 Kleingewässer – der Torber- und der Pessert-Teich – geschaffen wurden. Der Seifengraben ist schmal und bestockt mit größeren Weiden und Erlen, in heißen Sommern trocknet er zeitweise aus. Die Teiche im Nebenschluss verbessern seitdem die Wasserhaltung. Vor allem im oberen Gewässer kommen Erdkröte, Knoblauchkröte, Springfrosch, Grasfrosch und selten auch Moorfrosch und Teichmolch vor. Bemerkenswert sind einzelne Spitzenjahre, so z. B. 2011, wo 113 Laichballen des in Sachsen gefährdeten Springfroschs festgestellt wurden. Gefährdungen ergeben sich durch Nährstoffbelastung aus dem nahe gelegenen Ackerland. Der untere Teich ist im Jahr 2015 durch eine Dammreparatur und -erhöhung wieder ertüchtigt worden und soll sich nun wieder ähnlich gut entwickeln wie der obere Teich.
Die Tagung hat gezeigt: Beim Weißstorchschutz gibt es noch Einiges zu tun! Er bedarf auch weiterhin unseres Engagements und unserer Aufmerksamkeit. Chancen hat der Weißstorch nur, wenn dem Bekenntnis der Politik zum Schutz der biologischen Vielfalt, insbesondere im ländlichen Raum, auch konkrete Maßnahmen folgen. Werden die Fördermöglichkeiten verbessert bzw. Förderhürden abgebaut und Flächen, die sich im Besitz des Freistaats befinden, für Naturschutzmaßnahmen bereitgestellt, sind wir im Rahmen des derzeit Möglichen schon einen großen Schritt weiter.
Wir danken der Akademie der Sächsischen Landesstiftung Natur und Umwelt für die finanzielle Unterstützung der Weißstorchtagung des NABU Sachsen.
Die Beiträge der Referenten werden demnächst in Kurzfassung veröffentlicht.