Biberinventur im Landkreis Leipzig
Über 100 besetzte Reviere
Landkreis Leipzig, April 2020 - Nachdem 1967 die Elbebiber – nach 150-jähriger Abwesenheit – wieder in den Landkreis Leipzig eingewandert sind, wird der Bestand dieser Landschaftsbaumeister durch ehrenamtliche Naturschutzhelferinnen und -helfer, welche zum Teil auch NABU-Mitglied sind, im Auftrag der unteren Naturschutzbehörde einmal jährlich gezählt. So auch im vergangenen Winter. Hierbei konnte die Behörde auf die Unterstützung von fast 20 Biberbetreuerinnen und -betreuern und Gewährsleuten bauen, denen ein ausdrückliches Dankeschön für diese zeitaufwendige Arbeit gilt. Denn sie kontrollierten alle 157 potenziellen Biberreviere an über 200 Kilometer Fließgewässerstrecke und an 53 stehenden Gewässern.
Beschränkte sich diese Tätigkeit bis 2017 noch auf das Einzugsgebiet der Mulden, ist seit 2018 auch die Weiße Elster mit ihren Vorflutern hinzugekommen. Hier konnten inzwischen mindestens drei Biberansiedlungen nachgewiesen werden. Überraschenderweise hat „Meister Bockert“ die Weiße Elster aufwärts bereits bis zum Burgenlandkreis (Sachsen-Anhalt) und darüber hinaus als Lebensraum zurückerobert. Es ist bekannt, dass Biber auch Fließgewässerstrecken von bis zu 25 Kilometern am Stück hinter sich lassen. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass sie – aus Leipzig kommend – die lebensfeindliche „Betonelster“ zwischen Pegau und Leipzig schwimmend durchquert und sich an der Landkreisgrenze zu Sachsen-Anhalt angesiedelt haben.
43 Nachweise für Bibernachwuchs
Von den 157 kontrollierten Revieren sind aktuell 109 Reviere mit mindestens einem Tier besetzt. Da es sehr schwierig ist, den exakten Bestand der großen dämmerungs- und nachtaktiven Nager zu ermitteln, wird dieser – wenn nicht Sichtbeobachtungen konkretere Aussagen zulassen - von den Biberbetreuern anhand von Aktivitätshinweisen (Fraßspuren, Fährten, Baue, Dämme etc.) geschätzt. Im Ergebnis wurden in diesem Winter 200 bis 300 Biber im Landkreis Leipzig erfasst. Trotz der beiden vergangenen Extremsommer, welche die Wasserstände der Flüsse und Stillgewässer auf ein Minimum zurückgehen ließen, haben die Tiere hier keine Bestandseinbußen hinnehmen müssen. Zwar wurden einzelne Reviere wegen Wassermangel aufgegeben, dafür kamen an anderer Stelle neue hinzu. Das Erfreuliche dabei ist, dass in 43 Revieren auch Bibernachwuchs nachgewiesen werden konnte.
Der Biber ist als eines von wenigen Lebewesen in der Lage, seinen Lebensraum selbst aktiv zu gestalten und nach seinen Bedürfnissen zu verändern. Mit der Anlage von Dämmen in Fließgewässern reguliert er deren Wasserstand so, dass auf der einen Seite seine Baue geschützt sind und auf der anderen Seite die Erreichbarkeit der Nahrung (schwimmend) gewährleistet ist. Hierbei entstehen reich strukturierte Habitate, die nicht nur ihm, sondern auch vielen, oft bedrohten Tier- und Pflanzenarten einen perfekten Lebensraum bieten. Aber auch wir Menschen profitieren auf vielfältige Weise davon. So halten Biberdämme Schadstoffe und Sedimente zurück, dämpfen nachweislich Hochwasserspitzen, schaffen Retentionsräume und tragen zur Grundwasserneubildung bei. In Zeiten, in denen Klimaerwärmung, Niederschlagsmangel oder Extremsommer die Schlagzeilen bestimmen, kommen uns die Biber also gerade recht. Dies sollte im Fall von Konflikten auch entsprechend berücksichtigt werden. Hinzu kommt die Renaturierung unserer geschundenen Fließgewässer – und dies alles kostenfrei!
Miteinander von Mensch und Tier ermöglichen
Konflikte, welche durch Biberansiedlungen auch entstehen, könnten zum Beispiel leicht entschärft werden, wenn nutzungsfreie Gewässerrandstreifen (10 bis 20 Meter) belassen würden. Eingriffe in den Biberlebensraum („Pflege“maßnahmen entlang von Gewässern, Beseitigung sogenannter „Fließhindernisse“) sollten nur in Abstimmung mit dem Unterhaltungspflichtigen und unter Einbeziehung der unteren Naturschutzbehörde durchgeführt werden. Denn: Die Lebensstätten der Biber – hierzu zählen neben den Burgen bzw. Erdbauen auch die Dämme und die unmittelbar beanspruchten Lebensräume – sind, wie die Tiere selbst, streng geschützt und dürfen ohne Genehmigung nicht beeinträchtigt werden. Die untere Naturschutzbehörde steht, ebenso wie die Biberbetreuer als erste Ansprechpartner vor Ort, bei Problemen beratend zur Verfügung. Ziel ist letztendlich, ein Miteinander von Menschen und Tieren zu ermöglichen, welches die Ansprüche beider Seiten angemessen berücksichtigt.