Positionspapier des NABU Sachsen
Wald und Wild im Erzgebirge
Die Anfälligkeit unserer Wälder für Sturm, Trockenheit und Insektenbefall fällt immer deutlicher ins Auge und es wachsen die Befürchtungen, dass sie in den uns vertrauten Formen den klimatischen Entwicklungen in Gegenwart und Zukunft nicht gewachsen sein könnten. Deshalb ist es unerlässlich, sich mit dem Zustand des Waldes und den Möglichkeiten seiner „Heilung“ intensiv zu beschäftigen, wenn er seinen durchaus vielfältigen und immer wichtiger werdenden Rollen als intaktes Ökosystem mit hohem Wert für die biologische Vielfalt, als wohltuender Erholungsort für uns Menschen und als unverzichtbare Nutzfläche zur Gewinnung des wertvollen Rohstoffes Holz gerecht werden soll.
Dabei ist auch der Einfluss des Schalenwildes von wesentlicher Bedeutung, selbstverständlich nicht nur als Verursacher von Schäden und Hemmnis beim Waldumbau: Wild erfüllt in Wald und Flur vielfältige Funktionen, verbreitet Samen und schafft wichtige Biotopstrukturen, auf die viele andere Tiere angewiesen sind. Sein Dung und die Kadaver sind Lebensgrundlage für viele Arten und die Wildtiere sind die wichtigsten Beutetiere der in Ausbreitung befindlichen großen Raubtiere Wolf und Luchs. Aus all diesen Gründen ist Schalenwild in ökosystemrelevanter Dichte von enormer Bedeutung. Man kann das jagdbare Wild nicht auf eine unbestimmte Zeit – bis zum Abschluss des Umbaus der Wälder, wann immer das sein mag – aus dem „System“ heraus oder fast herausnehmen. Das hat mit natürlichen Bedingungen und einem naturgemäßen Anspruch wenig zu tun.
Auch ist nicht jeder Verbisseinfluss und nicht jede Schäle ein Schaden, weder aus ökologischer Sicht noch aus ökonomischer. Eine differenzierte und ausgewogene Darstellung der tatsächlichen Gegebenheiten – die sich von Art zu Art, von Region zu Region und auch in ihren Entwicklungstrends sehr unterschiedlich darstellen – sowie eine Würdigung der vielfältigen Funktionen des Schalenwildes in Natur und Landschaft bleiben häufig aus. Dabei sind die Auswirkungen des Schalenwildes auf seine Lebensräume mannigfaltig und diffizil. Die Eingriffe in die Populationen sollten auch deshalb mit äußerster Sorgfalt vorgenommen werden.
Wir sind uns sicher und möchten dies in diesem Papier deutlich machen, dass die „Vielfalt“ bei den Bemühungen um den Wald der Zukunft eine Schlüsselrolle spielen muss. Vielfalt bei der Bewirtschaftung oder auch Nichtbewirtschaftung unserer Wälder ist aus unserer Sicht eine Grundvoraussetzung für deren Widerstands-, Funktions- und Anpassungsfähigkeit an die ungewissen zukünftigen Entwicklungen. Auch ein flexibler, sorgfältig abgewogener Umgang mit Überraschungen und ein Zulassen offener, dynamischer Prozesse sind dabei unverzichtbar. Ähnliches gilt für die „Bewirtschaftung“ des Schalenwildes. Dessen ökologische Leistungen sollten gleichrangig neben die aus forstlicher Sicht für die Entwicklung der Wälder maßgeblichen Aspekte wie Baumartenvielfalt, Waldverjüngung etc. gestellt und bei entsprechenden Abwägungen angemessen berücksichtigt werden.
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September 2021
Matthias Scheffler, NABU Aue-Schwarzenberg