Die wassergefüllten Vertiefungen, die entstehen, wenn der Wurzelteller aus dem Boden gerissen wurde, heißen Kolke – sie sind ideale Plätze für Libellen und Wasserkäfer - Foto: Matthias Schrack
Sturmschäden in Wäldern
Die Natur kann profitieren
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Die wassergefüllten Vertiefungen, die entstehen, wenn der Wurzelteller aus dem Boden gerissen wurde, heißen Kolke – sie sind ideale Plätze für Libellen und Wasserkäfer - Foto: Matthias Schrack
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Wurzelvorhang: Der vergraste Oberboden hängt vor dem Wurzelteller herab, dahinter befindet sich ein verdunkelter Raum, der von Tieren als Tagesversteck benutzt werden kann - Foto: Matthias Schrack
Welche Auswirkungen haben Stürme auf Waldbiotope?
Die Folgen des Sturmtiefs Friederike vom 18. Januar 2018 sind für Waldbesitzer immens. Abgesehen vom erschreckenden Anblick entsteht ihnen oft ein wirtschaftlicher Nachteil. Aber es ist auch eine Chance für die Natur, wenn man sie lässt, so Matthias Schrack, der Leiter der NABU-Fachgruppe Großdittmannsdorf. Betrachtet man die Auswirkungen der Stürme auf Waldbiotope, kennt die Natur im Unterschied zum Menschen keine Schäden. Was für den Menschen eine Katastrophe ist, schafft Biotop- und Artenvielfalt im Wald. Seit 12.000 Jahren, dem Ende der letzten Eiszeit, bestimmen Naturereignisse wie Waldbrände, Stürme, Hochwässer und Eisgang der Flüsse die Waldentwicklung. Erst die Menschen haben die urwüchsigen Wälder kultiviert, Forste und Halbforste geschaffen. Die stete Veränderung der Waldbiotope durch naturhistorische Prozesse ist ein Wesensmerkmal des Naturwaldes und hat daran angepasste Pilze, Pflanzen und Tiere hervorgebracht.
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Dort, wo der Boden sandiger und trocken ist, legen Eidechsen und Käfer, etwa der Feldsandlaufkäfer, ihre Eier ab. Dessen Larven schauen aus den Röhren im Sand heraus und halten nach Beute Ausschau. - Foto: Matthias Schrack
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Dort, wo der Boden sandiger und trocken ist, legen Eidechsen und Käfer, etwa der Feldsandlaufkäfer, ihre Eier ab. Dessen Larven schauen aus den Röhren im Sand heraus und halten nach Beute Ausschau. - Foto: Matthias Schrack
Sturm- und Brandbiotope sind Lehrbeispiele der Natur
Die Pilzarten Kohlen-Schüppling und Kohlen-Becherling stehen für eine Vielzahl von Brandstellenpilzen, die wir heute nur noch selten finden, mitunter noch an den „Wärmefeuern“ der Angler an den Flüssen. Umgestürzte Bäume mit hochragenden Wurzeltellern und wassergefüllten Kolken bieten Vögeln und Wirbellosen eine Lebensstätte, darunter der Zaunkönig sowie Tümpel bewohnende Libellen und Wasserkäfer. Auch Totholz ist nicht tot: Pilze, Flechten, Moose und eine Vielzahl nützlicher Käferarten kann der aufmerksame Waldbesucher an den abgestorbenen Baumstämmen betrachten. Stehendes Totholz mit Höhlen und Spalten bietet Fledermäusen und Vögeln Brutmöglichkeiten und Verstecke. Sturmbiotope sind somit Lehrbeispiele der Natur: Sie machen uns das Werden und Vergehen im Naturkreislauf erlebbar.
Natürliche Waldentwicklung auf 5 Prozent der Waldfläche in Deutschland Sturmbiotope erhalten
Im Kommunal- und Landeswald sollten derartige Sachzeugen natürlicher Prozesse im bemessenen Umfang verbleiben. Die „Programme zur biologischen Vielfalt“ besagen, das bis 2020 auf etwa 5 Prozent der Waldfläche in Deutschland und Sachsen eine natürliche Entwicklung der Wälder erfolgt. In solchen Waldbereichen belassen die Forstverwaltungen vom Sturm geschaffene Biotope. Diese Strukturvielfalt führt zu einer hohen Artenmannigfaltigkeit und steigert den Erholungs- und Erlebniswert für die Bevölkerung.
Besonderheiten im NABU-Waldeigentum im NSG „Waldmoore bei Großdittmannsdorf“
NSG-Schutzzweck ist die Erhaltung und Entwicklung eines naturnahen Moorwaldes mit einem hohen Anteil an Altbäumen, Höhlenbäumen und Totholz. Ein Teil des Sturmholzes mit besonderen Biotopeigenschaften wird daher im Wald belassen. Dazu gehören im bemessenen Umfang Wurzelteller, Wurzelkolke, Wurzelmulden, Wipfelbrüche und Windwurfverhaue. Der im NSG stockende Tieflands-Kiefern-Fichtenwald entwickelt sich seit Jahrhunderten ohne forstliche Eingriffe. Somit haben viele totholzbesiedelnde Organismen hier eine Rückzugsstätte, darunter zahlreiche Arten, die den Fichten- und Kiefernaufforstungen aus Menschenhand nicht gefolgt sind.
Was kann der private Waldbesitzer tun?
Er entscheidet selbst, wie er mit Sturmbiotopen im Wald umgeht. Schon ein abgestorbener Hartholzbaum wie eine Eiche oder Rot-Buche kann räuberisch lebenden, nützlichen Insekten des Waldes Heimstatt sein. Bäume mit Specht- und Faulhöhlen gilt es zu bewahren: Im tot- und höhlenreichen Naturwald braucht es keine Nistkästen für die natürliche Schädlingsbekämpfung! Und noch ein Tipp: Einzelne abgestorbene Weichhölzer wie Birke, Aspe und Erle unbedingt im Bestand belassen. Kleinspecht, Haubenmeise und Weidenmeise nutzen diese zur Anlage ihrer Bruthöhlen.
Appell an Waldbesitzer
Die meisten Waldbesitzer sind naturverbunden und wissen, dass ab April die Hauptvermehrungszeit der Waldtiere ist. Bis dahin kann die Beräumung kleiner Windwurfflächen im Privatwald abgeschlossen sein. Ab August können Wald- und Forstarbeiten ohne erhebliche Störungen der Tierwelt erfolgen. Bei großen Windwurfflächen wird die Beräumung allerdings auch in der Hauptvermehrungszeit fortgesetzt. Die Regelungen des Sächsischen Naturschutzgesetzes zum Gehölzschutz gelten nicht im Wald (vgl. § 19 Abs. 2 Nr. 1 SächsNatSchG; Geschützte Landschaftsbestandteile). Die Belange des Biotop- und Artenschutzes (z. B. Schutz von Vermehrungsstätten) sind bei der Holzwerbung dennoch zu beachten.
Matthias Schrack, Leiter der NABU-Fachgruppe Ornithologie Großdittmannsdorf
05.02.2018