Naturnahe Waldwirtschaft im Seußlitzer Grund
Nachhaltiger Flächenschutz auf NABU Eigentumsflächen
Ein Schatzkästchen der Natur
Eines der schönsten und größten Seitentäler der sächsischen Elbe ist der Seußlitzer Grund im Landkreis Meißen. Auf seinen steilen Talhängen stocken unter anderem Hainsimsen-Buchenwälder sowie edellaubbaumreiche Hang- und Schluchtwälder. Das Flüsschen Bockau – umgeben von artenreichen, kleinflächigen Talwiesen – durchschlängelt das langgezogene, abwechslungsreich gegliederte Areal in nordwestlicher Richtung und mündet bei Seußlitz in die Elbe.
Insgesamt etwa zehn Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie sind hier anzutreffen. Mit mehr als vierhundert, meist wärmeliebenden Farn- und Blütenpflanzen – dazu gehören seltene Orchideen, zum Beispiel das Gefleckte Knabenkraut –, mit zahlreichen Tag- und Nachtfalterarten sowie weiteren faunistischen Raritäten wie Hirschkäfer, Springfrosch, Eisvogel, Hohltaube und Schwarzspecht ist der Seußlitzer Grund ein bemerkenswertes
natürliches Kleinod.
Für den Landkreis Meißen, der mit nur 15,2 Prozent Waldanteil in dieser Hinsicht den vorletzten Platz im Freistaat Sachsen einnimmt, gilt das Gebiet als eine der wenigen natürlichen, größeren „Gehölzinseln“ im ansonsten von intensiver agrarischer Nutzung bestimmten Territorium. Mit der Ausweisung von zunächst 107 Hektar als Naturschutzgebiet (NSG) „Seußlitzer Grund“ wurde diesem bedeutenden naturschutzfachlichen Wert bereits im Jahre 1976 Rechnung getragen.
Eigentum verpflichtet
Zwischen den Jahren 2000 und 2013 erwarb der vor Ort wirkende NABU-Regionalverband Großenhainer Pflege für den NABU-Landesverband Sachsen insgesamt etwa 115 Hektar Grundeigentum im NSG „Seußlitzer Grund“, darunter vor allem Waldflächen und zu einem sehr geringen Anteil kleinere Talwiesen.
Im Jahre 2013 wurde das Gebiet als NSG „Seußlitzer und Gauernitzer Gründe“ neu ausgewiesen. Der NABU als größter Grundeigentümer
beteiligte sich mit fachlichen Hinweisen und einer Stellungnahme aktiv am Festsetzungsverfahren. Der Schutzzweck für die nun 325 Hektar große Fläche umfasst unter anderem die störungsarme Erhaltung wie auch die Wiederherstellung und naturschutzgerechte Entwicklung der naturnahen Laubwaldgesellschaften.
Von Anfang an stand für den NABU fest, dass mit dem Eigentumsübergang auch eine große Verantwortung für die wertvollen Waldflächen zu übernehmen war. Der Seußlitzer Grund ist ein beliebtes Erholungsgebiet; die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht – zum Beispiel durch Beräumung der Wanderwege nach Windbruch – erfordert einen nicht unbeträchtlichen Aufwand, konnte aber von Anfang an im Einvernehmen mit der Gemeinde umgesetzt werden. Das wertvolle naturnahe Waldgebiet zu bewahren und gleichzeitig dem Schutzziel angepasst zu bewirtschaften,
stellt hingegen eine ganz besondere Herausforderung dar. Durch sukzessive Entnahme einzelner Bäume werden die in früheren Jahrzehnten angepflanzten, nicht standortgerechten Baumarten wie Robinie, Kiefer, Roteiche und Lärche zurückgedrängt und gleichzeitig die Naturverjüngung von Winterlinde, Rotbuche, Stielund Traubeneiche sowie Spitz- und Bergahorn unterstützt.
Alt und nützlich
Der fortgeschrittene natürliche Alterungsprozess vieler Bäume begünstigt dieses Vorhaben wesentlich, denn die entstehenden Blößen werden rasch durch Jungwuchs genutzt. Entscheidend für den Erfolg der natürlichen Verjüngung im Seußlitzer Grund ist jedoch die Bestandskontrolle des Rehwildes. Vor allem im Winter findet das Wild fast ausschließlich in der von „Agrarsteppe“ umgebenen Waldinsel des Seußlitzer Grundes Deckung sowie Nahrung. Infolgedessen entsteht ein hoher Fraßdruck (Verbiss) an den Junggehölzen. Von den im Laufe der Jahre durch den NABU erworbenen Flächen liegen 90 Hektar unmittelbar räumlich zusammen, sodass ein Eigenjagdbezirk eingerichtet wurde. Durch gezielte Bejagung soll
langfristig eine optimale Wilddichte erreicht und der Wildverbiss reduziert werden. Unterstützt wird dies durch naturschutzgerechte, die arten- und vor allem kräuterreiche Waldwiesenvegetation fördernde Bewirtschaftung der ungefähr zwei Hektar Grünland – die sozusagen eine natürliche Äsung bieten.
Doch im Wesentlichen lässt der NABU als Waldeigentümer auf seinen Flächen im Seußlitzer Grund der Natur ihren Lauf, um das vorrangige Schutzziel – die Bewahrung und Entwicklung höhlenund totholzreicher Waldbestände als Lebensraum für Schwarzspecht, Hirschkäfer und Eremit, für Kleiber, Waldkauz, Waldlaubsänger, Waldohreule, Seeadler und Hohltaube – nicht zu gefährden. Falls die Beräumung von Waldwegen unumgänglich sein sollte, bleiben abgebrochene Äste und Totholz neben dem Weg am Boden liegen – zum Vorteil von Pilzen und Flechten. Als Besonderheit ist zu erwähnen, dass im Gebiet zertifizierte Saatgutbestände von Spitzahorn und Winterlinde ausgewiesen wurden. Mit dem Schutz dieser wertvollen forstlichen Genreserven erfüllt der NABU eine weitere wichtige gesellschaftliche Aufgabe.