Das Lausitzer Seenland
Naturschutzgroßprojekt mit Blick in die Vergangenheit
Im Lausitzer Seenland ist in den letzten Jahrzehnten in den ehemaligen Tagebauen der Braunkohlegruben die größte künstliche Wasserlandschaft Europas entstanden: über 20 Seen mit einer Gesamtwasserfläche von über 12.000 Hektar. Neben vielfältigen Erholungsangeboten bietet diese Bergbaufolgelandschaft auch die Möglichkeit, seltene Tiere und Pflanzen zu beobachten. Besucher und Touristen zeigen sich beeindruckt von der weiträumigen und ruhigen Landschaft, aber auch von den offensichtlichen Wunden der hier stattgefundenen Umweltzerstörungen.
Naturschutzgroßprojekt mit Sperrzonen
Um dieses interessante Erbe zu bewahren, wurde im Jahr 2000 der Antrag für das Naturschutzgroßprojekt „Lausitzer Seenland“ vom NABU-Naturschutzinstitut Region Dresden (NSI) erarbeitet, was schließlich zu einer Finanzierung des Projektes durch das Bundesamt für Naturschutz, das SMUL und weitere Projektpartner führte. Das Naturschutzgroßprojekt wurde ein erfolgreiches „Schlüsselprojekt“ im Lausitzer Seenland, auch wenn bis zum heutigen Tag große und unerwartete Schwierigkeiten verschiedenster Art auftauchten. Man denke nur an das Jahr 2010, als riesige „Grundbrüche“ im bergtechnisch eigentlich sanierten Kippenboden dazu führten, dass große Teile der Braunkohlefolgelandschaft nun für Menschen gesperrt sind und auch vom Projektträger nur eingeschränkt aufgesucht werden können.
Naturschutz und Naturtourismus in der Bergbaufolgelandschaft
Es gelang, etwa 1.000 Hektar Naturschutzflächen zu kaufen, einen Pflege- und Entwicklungsplan für das Gebiet aufzustellen und umzusetzen. Jetzt, fünf Jahre nach der Beendigung der Förderung durch den Bund, kann die Lausitzer Seenland GmbH mit ihren Gesellschaftern, dem kommunalen
Zweckverband, dem Landesverein Sächsischer Heimatschutz und dem NSI Region Dresden, auf ein erfolgreiches Naturschutzprojekt zurückblicken und auch den Herausforderungen der Zukunft hoffnungsvoll entgegenschauen.
Neben der Sicherung von großen Flächen für den Naturschutz wird Waldumbau von „Kippenforsten“ hin zu naturnahen Mischwäldern und ein Mahd- und Weidemanagement im Offenland durchgeführt – alles mit dem hohen Anspruch, in der Bergbaufolgelandschaft Naturschutz zu betreiben und gleichzeitig einen sanften Naturtourismus zu etablieren. Den Besuchern der Region soll die herbe Schönheit und das Problemfeld dieses bergbaulichen und natürlichen Erbes mit Hilfe von Informationsschildern,
Aussichtstürmen und Erlebnistouren vermittelt werden.
Schaufenster in die Vergangenheit
Kippenstandorte der ehemaligen Braunkohlegruben sind Extremstandorte mit geringen Ertragsaussichten. Sie weisen gestörte Grund- und Stauwasserformen und ein geringes Bodenleben auf. Zudem besiedeln Pflanzen saure Rohböden aus tertiärem Material nur sehr langsam.
Was für eine forstliche oder landwirtschaftliche Nutzung ungünstig ist, ermöglicht hingegen die Entwicklung wertvoller Lebensräume für bedrohte Tiere und Pflanzen. In unseren mit Nährstoffen überfrachteten Kultur- und „Verbrauchslandschaften“ sind nährstoffarme Standorte und die speziell daran angepassten Arten kaum noch anzutreffen. Ziel des Naturschutzgroßprojektes ist es, das Charakteristikum der für die Lausitz typischen Bergbaufolgelandschaft zu erhalten und damit speziellen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum zu schenken.
Für uns Menschen ist diese Landschaft außerdem ein wertvolles Schaufenster in die Vergangenheit. Hier wird zum einen die jüngere Vergangenheit erlebbar, also die Zeit der Braunkohlegewinnung in der DDR. Zum anderen vermitteln diese Bergbaufolgelandschaften einen Eindruck, wie es bei
uns in Mitteleuropa vor 10.000 Jahren am Ende der Eiszeit ausgesehen haben mag, als der Wald noch nicht die Vorherrschaft über das Land gewonnen hatte.
Reservoir für viele Vogelarten
Die Bergbaufolgelandschaft ist ein Reservoir für viele Vogelarten des Offenlandes. Hier finden sie geeignete Lebensräume, in denen sie genügend Nachwuchs aufziehen können, um ihren Bestand im Freistaat zu erhalten. Dieses trifft auf den Brachpieper zu, von dem ein Viertel des deutschen Bestandes in Sachsen und hier konzentriert in der Bergbaufolgelandschaft der Lausitz brütet. Aber auch für die Brutbestände von Ziegenmelker, Grauammer, Wiedehopf, Sperbergrasmücke, Heidelerche, Raubwürger und Steinschmätzer besitzt das Projektgebiet im gesamtsächsischen Kontext eine besondere Bedeutung. Auch die noch häufige, aber im Rückgang befindliche Feldlerche brütet im Projektgebiet in hohen Zahlen und mit offensichtlich guten Bruterfolgen. Und auch das in der normalen Feldflur inzwischen ausgestorbene – oder besser ausgerottete – Rebhuhn findet hier noch Rückzugsgebiete, genauso wie der Kiebitz, der in den Uferbereichen am Bergener See nördlich von Hoyerswerda alljährlich in mehreren Paaren brütet und gelegentlich sogar den Grünschenkel als Brutnachbarn hat.
Interessante Flora und Insektenwelt
Dank der langjährigen Pflege entwickelten sich auf den Biotopflächen typische Arten der Silbergrasflur und des Silikatmagerrasens. Dazu zählen neben auffälligen Blütenpflanzen wie Sandstrohblume, Rispen-Flockenblume und Bergjasione auch das Silbergras und die Schwingelart Festuca
spec. sowie die Calluna-Heide.
Die gepflegten Flächen mit offenen Sandstellen, Flechten, Moosen, Silbergras und einzelnen Blütenpflanzenarten magerer Standorte schaffen günstige Voraussetzungen für eine interessante Insektenwelt, darunter Italienische Schönschrecke, Blauflügelige Sandschrecke und Blauflügelige
Ödlandschrecke, Rostbinde, Wegerich-Scheckenfalter, Brauner Feuerfalter und Kleiner Feuerfalter.