Gewässerrandstreifen – Zehn Meter Puffer für die Natur
NABU-Fachtagung mit virtueller Exkursion
Mai 2021 - Am Gewässerrandstreifen trafen sich am 29. April virtuell fast 100 Interessierte aus Vereinen, Behörden, Verwaltung, Wissenschaft und Landwirtschaft. Die Veranstaltung „Gewässerrandstreifen – Zehn Meter Puffer für die Natur“ hatte der NABU Sachsen im Rahmen des Wissenstransferprojektes Saxony⁵ - Biodiversität für die Landwirtschaft durchgeführt.
Mit einem Kurzfilm wurden die Gäste an den renaturierten Abschnitt der Launzige nahe Trebsen eingeladen. Er ist Teil des Biotopverbunds sowie Lebensraum und Rückzugsort für verschiedenste Lebewesen und von besonderer Bedeutung in der Landwirtschaft, wo er auch dem Schutz des Gewässers vor übermäßigem Nährstoff- und Pestizideintrag dient.
„Chancen für die Natur am Gewässer“, Dr. Hartmut Schwarze, Sächsisches Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft
Referent Dr. Hartmut Schwarze vom Sächsischen Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (SMEKUL) betonte, dass es gute Chancen für den Naturschutz am Gewässer gibt. Für das Biodiversitätsprogramm ist als neuer Horizont das Jahr 2030 anvisiert, mit ehrgeizigen Zielen wie beispielsweise dem Insektenprogramm mit konkreter Förderung mehrjähriger Blühstreifen an Feld und Gewässer sowie dem Auenprogramm, mit der Leitthese, den Flüssen mehr Raum zu geben. Dennoch gibt es große Herausforderungen bei der oft schwierigen Verwirklichung – auch bedingt dadurch, dass oftmals Flächenpächter und -eigentümer verschieden sind, wie im Auditorium mehrfach angemerkt wurde. Konkrete Maßnahmen wie neues Dauergrünland aus Ackerflächen am Gewässerrand zu entwickeln, will der Freistaat deshalb auch mit Flächenkäufen verwirklichen. Aktivitäten spiegeln sich außerdem in der Weiterführung des Schwarzpappel-Projektes, in den Maßnahmen „Proaktives Bibermanagement – Biologische Gewässerrenaturierung“ oder bei der „Redynamisierung der Spree“ wieder. Leider beschränken sich die Maßnahmenprogramme zurzeit auf große Gewässer, trotz des Wissens um die große Bedeutung der Kleingewässer. „Zukünftig sollen Gemeinden mit Geldern für die Unterhaltung ihrer Gewässer unterstützt werden“, so Dr. Schwarze.
„Fließgewässer in der Agrarlandschaft“, Prof. Dr. Matthias Liess, Helmholtzzentrum für Umweltforschung – UFZ, Leipzig
An mehr als 100 Probestellen in ganz Deutschland wurde die Konzentration von Pflanzenschutzmitteln in mittleren und kleinen Fließgewässern untersucht. Die auf der an die Gewässer angrenzenden Flächen ausgebrachten Pflanzenschutzmittel werden bei starkem Regen weggespült. Bei mehr als 80 Prozent der untersuchten Gewässer gab es nach Starkregenereignissen mehrfache Überschreitungen der regulatorisch akzeptierten Konzentrationen von Pestizidwirkstoffen aus Pflanzenschutzmitteln, unter anderem wurden hier Vertreter der Wirkstoffklasse Neonicotinoide gefunden. Diese sind schon in sehr geringen Konzentrationen wirksam und Grenzwerte werden schnell überschritten.
Arten wie Libellen und Eintagsfliegen, deren Larven teils mehrere Jahre am Gewässergrund leben sind besonders im Rückgang begriffen. Arten mit einer langen Larvenentwicklungszeit kommen mit größerer Wahrscheinlichkeit von pestizidbelasteten Wasser in Kontakt als Arten wie beispielsweise Mücken, deren Larven sich innerhalb weniger Wochen zum erwachsenen Tier entwickeln. Die Wirkungen von Pestizidwirkstoffen auf Organismen sind vielfältig und soll hier nur angerissen werden.
Sachsen hat von allen Bundesländern mit die breitesten gesetzlich festgeschriebenen Gewässerrandstreifen, doch können sie Gewässer schützen? Hohe Stoffeinträge (Düngemittel, Pestizidwirkstoffe) durch Seitengräben, Trockenrisse im Erdreich und die Bodeneigenschaften spielen eine erhebliche Rolle bei der Effektivität bei der Pufferwirkung der Gewässerrandstreifen.
Nachtrag im Juni 2021: Aus dem Kleingewässermonitoring ist nun die Studie "Pesticides Are the Dominant Stressors for Vulnerable Insects in Lowland Streams" hervorgegangen. Sie zeigt die hohe Relevanz der Pflanzenschutzmittel für den ökologischen Zustand der untersuchten Gewässer. Weiterhin identifizieren die Autoren der Studie evidenzbasiert Schwachstellen der aktuellen Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln und leiten freilandbasierte Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe ab.
„Gewässerunterhaltung kombiniert mit Entwicklung – am Beispiel der Launzige bei Fremdiswalde“, Marco Stegemann, Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL) – Landesverband Sachsen
Marco Stegemann vom Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL) – Landesverband Sachsen war im März 2017 dabei, als der Launzige bei Fremdiswalde/Trebsen auf 300 Metern ihr naturnaher Verlauf zurückgegeben wurde. Der Fluss wurde beidseitig aufgeweitet, seine Böschung zur Begünstigung der hydraulischen Wirkung abgeflacht und Weidenstangen zur Böschungssicherung in den Boden gesetzt. Für fast alle Maßnahmen kamen Naturmaterialien aus der umgebenden Fläche zum Einsatz. Die ökologische Aufwertung beeinflusst die Gewässerunterhaltung nachhaltig und effizient, die Hochwasservorsorge wird begünstigt und der Pflegeaufwand reduziert. Beschattete Flussbereiche und damit einhergehende niedrigere Wassertemperaturen schaffen günstige Lebensräume für Tieren und Pflanzen. Die Sole strukturiert sich an den eingebauten Störstellen. Jedoch gab es auch Bedenken: Die Aufwertung für die Allgemeinheit gehe immer über eine Privatperson, der Flächennutzer ist meist nicht zugleich Flächeneigentümer. Problematisch gestalte sich auch der Wertverlust der Randstreifen, wenn sie nicht mehr für die landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung stünden und die weitere Finanzierung nicht geklärt sei.
„Landwirtschaftlicher Gewässerschutz – Randstreifen auf Ackerland“, Anke Hoppe, Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG)
Den landwirtschaftlichen Gewässerschutz rund um das Thema Randstreifen auf Ackerland, insbesondere mit Blick auf Gesetzesvorgaben erläuterte Anke Hoppe vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Bereits seit 1994 sind in Sachsen fünf Meter Randstreifen von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln freizuhalten. Für jedes Mittel gelten konkrete Anwendungsbestimmungen. Zu bedenken gab sie, dass den Grünstreifen entlang der Gewässer ein „Wertverlust“ drohe, der den Landwirten Sorge bereite. Es werde außerdem immer schwieriger, Randstreifen einer Nutzung zuzuführen, denn in den zurückliegenden zehn Jahren seien viele Betriebe aus der Tier- und Milchkuhhaltung ausgestiegen. Keiner ist bereit, für aus der Nutzung gefallene Flächen einen Ausgleich zu zahlen, beispielsweise durch die Reduzierung der Grundsteuer für diese Flächen. Nicht nachvollziehbar bleibt auch die immer noch geltende staatliche Regelung für Landwirte, Grünstreifen spätestens nach fünf Jahren umbrechen zu müssen, da diese ansonsten nach aktueller Gesetzeslage ihren Wert als landwirtschaftliche Fläche verlieren würden. „Die Entwicklung von Gewässerrandstreifen ist notwendig, sie kann jedoch nur im gemeinsamen Konsens umgesetzt werden“, unterstützte Frau Hoppe die Forderung der Anwesenden.
Es geht nicht darum, den ganz ursprünglichen Zustand wiederherzustellen und den Menschen auszuklammern, sondern landwirtschaftliche Nutzung und das Leben des Menschen in Einklang zu bringen, mit möglichst vielen Vorteilen für alle.
Dr. Maria Vlaic
Landesgeschäftsführerin NABU Sachsen
Im Anschluss an die Vorträge wurde in digitalen Räumen lebhaft und sachlich diskutiert – über den zwingenden Umbruch der Grünstreifen nach fünf Jahren, Probleme bei der Besiedlung durch Biber, den Pflegebedarf nach der Renaturierung, Klimawandel, Ansprüche von Eigentümern und mannigfache gesetzliche Vorgaben.
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Renaturierung der Launzige im Jahr 2017
Ursprünglich war die Launzige ein mäandrierendes Fließgewässer. Doch man könnte fast meinen, es wäre ein Drainagegraben – zumindest bis 2017. Denn in dem Jahr wurde dem Gewässer auf 300 Metern ein Teil seiner Ursprünglichkeit zurückgegeben. Die Firma Stowasser aus Dresden und der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL) planten die Umsetzung und renaturierten den Abschnitt – Mäander, Störstellen und Strukturen durchbrechen seitdem wieder die eintönige Geradlinigkeit. Überraschend schnell erholt sich die Natur und auch die Selbstreinigung des Gewässers funktioniert dank beidseitigen Randstreifen als Begrenzung zu landwirtschaftlich genutzten Flächen viel besser.