Biologische Vielfalt in Sachsen: 6. Sächsischer Naturschutztag in Freiberg
NABU-Landesvorsitzender Bernd Heinitz fordert Naturschutzoffensive
Artensterben in der Agrarlandschaft muss beendet werden
Wo es einst bunte Wiesen, summende Insekten und unzählige Vögel gab, herrscht heute vielfach Stille und Monotonie: Der Artenschwund in der Agrarlandschaft hat dramatische Ausmaße; wenn man den Verlust der Biodiversität eindämmen will, herrscht in der Landwirtschaft der größte Handlungsbedarf. In den letzten hundert Jahren ist die Landwirtschaft intensiviert worden – gleichzeitig haben zahlreiche Tier- und Pflanzenarten ihre Lebensräume verloren, viele sind in Sachsen bereits ausgestorben. Dass mehr als die Hälfte der Landesfläche landwirtschaftlich genutzt wird, macht deutlich, wie groß der Handlungsbedarf ist. Um sich darüber auszutauschen, stand der 6. Sächsische Naturschutztag, der am 19. März 2016 in der Nikolaikirche in Freiberg stattfand, unter dem Motto „Biologische Vielfalt in Sachsen – Artenvielfalt in die Agrarlandschaft!“.
Mehr als 160 Teilnehmer kamen in die Freiberger Nikolaikirche, wo mit Vorträgen und Diskussionen die dramatische Situation dargestellt wurde, aber auch Ansätze für mehr Biotop- und Artenschutz vorgestellt wurden. Organisator der Veranstaltung war der Naturschutzbund NABU, Landesverband Sachsen unter Schirmherrschaft von Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler.
Begrüßt wurden die Teilnehmer vom NABU-Landesvorsitzenden Bernd Heinitz, der in seinen Eingangsworten betonte, dass die Landwirtschaft nicht nur eine große Mitschuld am Artensterben hat, sondern auch eine große Verantwortung trägt, die Biodiversität zu bewahren. Deshalb gehe es nicht darum, Landwirten die Schuld zu geben, sondern sie als Partner für den Naturschutz zu gewinnen. Er fordert eine Naturschutzoffensive, die strategisch und finanziell die Weichen für mehr Naturschutz in Sachsen stellt.
Schirmherr Dr. Rößler dankte in seinem Grußwort den ehrenamtlich tätigen Naturschützern, ohne die der Schutz der bedrohten Arten nicht möglich wäre. Ebenfalls anwesend war Sachsens Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, Thomas Schmidt. Er lobte in seinem Redebeitrag die intensiven Kontakte zu Naturschutzverbänden und gemeinsame Aktivitäten, die vom Land finanziell unterstützt werden, machte aber auch deutlich, dass diese Finanzierung in der Zukunft nicht gesichert sein wird. Ausgaben des Landes in anderen Bereichen seien notwendig, so dass die Finanzierung von Naturschutz und Landschaftspflege eher aus Mitteln der EU angestrebt wird. Der einführende Fachvortrag kam von Professor Felix Ekardt, dem Landesvorsitzenden des BUND Sachsen. Er widersprach dem Minister. Der Schutz der Ökosysteme sei der Schutz der Umwelt des Menschen und der Lebensgrundlage überhaupt. Deshalb könne er nicht mit Ausgaben in anderen Bereichen konkurrieren.
Ähnlich deutliche Worte fanden die weiteren Redner, die auch zeigten, welche negativen Folgen der verbreitete Einsatz von „Pflanzenschutzmitteln“ hat, bei denen es sich um hochwirksame, tödliche Gifte handelt. Tobias Mehnert, Vorsitzender der Grünen Liga Sachsen, machte deutlich, dass landeseigene Flächen effektiv für Naturschutzzwecke genutzt werden könnten, stattdessen werden sie aber häufig meistbietend verpachtet oder verkauft. Noch deutlicher kritisierte Jens Weber von der Grünen Liga Osterzgebirge die Landespolitik. Während die Behörden immer mehr Zeit und Personal einsetzen, um die Bürokratie zu bewältigen, sind auf der anderen Seite die Naturschützer überwiegend in ihrer Freizeit tätig und würden mehr behindert als gefördert.
Nach einer Mittagspause wurden im zweiten Teil der Veranstaltung einzelne Beispiele für Biotop- und Artenschutz in der sächsischen Agrarlandschaft vorgestellt. Besondere Aufmerksamkeit fand dabei der Vortrag von Ökolandwirt Kai Pönitz. Zum Abschluss des Naturschutztages fasste Hellmut Naderer, Landwirtschaftsexperte und stellvertretender Landesvorsitzender des NABU Sachsen, die wichtigsten Aussagen zusammen und formulierte Forderungen an die Politik. Die Naturschützer hoffen, dass die angesprochenen Themen in nächster Zeit bei weiteren Gesprächen mit Politik und Verwaltung berücksichtigt werden und dass der Schutz der Biodiversität bei politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen einen höheren Stellenwert bekommt.